Von Matthias Bosenick (15.05.2023)
Das Saxophon als bestimmendes Instrument in einer progressiven Instrumentalrockband, das hat was. Klidas aus Italien ist ein bereits neun Jahre altes Projekt, das jetzt mit der ersten Veröffentlichung in die Welt tritt, auf der die fünf Musizierenden ihre persönlichen Vorlieben miteinander kombinieren, eben zwischen Progrock, Jazz und psychedelischer Rockmusik. „No Harmony“ ist ein Minialbum – und außerdem gelogen: Das Quintett zügelt die Jazzanteile, die Rockmusik ist trotz ihrer Komplexität und Ausflügen ins musikalische Chaos sehr wohl harmonisch.
Klidas ergänzen die übliche Bandbesetzung Gitarre-Bass-Schlagzeug mit Synthies und Saxophon, und letzteres übernimmt quasi den Part eines Gesangs, eine Stimme fehlt hier somit nicht. Die Band umschmeichelt das, was das Blasinstrument ausdrückt, macht sich aber auch eigene Gedanken losgelöst davon, im Grunde ist das eine Art Indierock, der mal wie Postrock chillt, mal wie Noiserock losbricht, eben zwischen harmonisch und eruptiv, und in einigen Passagen auch klickert wie eine Jazzband, zu der so ein Saxophon dann umso besser passt. Und all solches geschieht nicht auf die Tracks verteilt, sondern innerhalb derselben, die damit variantenreich die Stimmungen wechseln. Ganz instrumental ist die Musik auch nicht, eine Stimme darf mal dunkel vor sich hin erzählen, das passt gut.
Auch wenn Klidas dabei verspielt und lebendig vorgehen, kann man nicht eben behaupten, auf „No Harmony“ machten sie oberflächliche Gute-Laune-Musik; gute Laune bekommt man, weil die Musik gut ist. Man hört schon heraus, dass es dem Quintett Ernst ist, obwohl es nicht verkopft an die Sache herangeht, sondern seiner Spielfreude den freiestmöglichen Lauf lässt. Was hier zusammenkommt, wäre Basis für mehrere Karrieren, und die fünf packen alles in eine, das macht’s attraktiver, weil viel passiert und es trotzdem geschmeidig in die Ohren geht, nicht sperrig, auch in den experimentellen Passagen. Und dann dieses herrliche Saxophon, das in Italien in psychedelischen, doomigen und progressiven Bands ohnehin keine Seltenheit ist, siehe Zu oder Mope. Passt perfekt!
Laut Band ist „Klidas“ Tschechisch und bedeutet „Riese der Stille“, das muss man den Musikern aus Italien einfach glauben. Das Quintett kommt aus Macerata, Region Marken, die Aufnahmen fanden in Fermo statt, selbe Region. Die fünf – ursprünglich noch sieben – Musiker bezeichnen sich als Freunde, die gemeinsam ihren Visionen nachgehen, und das hört man. Gitarrist und Vokalist ist der Biologe Emanuele Bury. Bass und Stimme kommen von Francesco Coacci, der auch in der Sixties-Coverband Lisa Beat e i Bugiardi und bei der Band Elpris spielt. Saxophonist ist Samuele De Santis, der auch Teil des Ensembles I Cantori della Vita ist. Alberto Marchegiani spielt Keyboards und Synthesizer. Schlagzeuger und Künstler Giorgio Staffolani ist außerdem an diversen Experimentalprojekten beteiligt, darunter Oceani.
Das mit der Stille im Namen Klidas ist übrigens ähnlich ironisch angesetzt wie der Titel „No Harmony“, es sei denn, man fasst die Stille zwischen den Tönen, die bekanntlich den Jazz ausmacht, als das grundlegende Element der Band auf. Die Spurenlese lohnt sich!