Von Matthias Bosenick (18.07.2025)
Auf „Diary“ gibt’s keine Gnade, keine Atempause, Kamizol-K knüppeln, grooven, brettern durch, mit ihrer Melange, die sie in der Hardcore- und Metal-Szene von Lyon zusammenbrauten und mit allerlei anderen Ingredienzen anreicherten, unerwarteterweise gehören dazu Rap, Tribal-Shoutings und Black-Metal-Gitarren. „Diary“ ist das erst zweite Album des Sextetts in zehn Jahren, und trotzdem ist deren Tagebuch reichlich fett geraten.
Auch ohne zunächst zu wissen, dass Kamizol-K aus Frankreich sind, erinnert der Opener „Battle Royal“ in Sachen Sound und Härtekomplexität an die 736 Kilometer weiter gegründeten Kollegen von Gojira. Damit hat sich’s dann aber auch schon mit dem Vergleich, denn Kamizol-K, selbst auch als kzk abgekürzt und nach einem mittelalterlichen Oberteil-Kleidungsstück benannt, machen nach eigener Spielart weiter, wenn auch ähnlich komplex.
Komplex sind die zwölf Songs dieses Albums, und zwar so sehr, dass gar nicht auffällt, das keiner von ihnen länger ist als die radiotauglichen dreieinhalb Minuten, ganz abgesehen davon, dass diese Wutausbrüche sich fürs langläufige Radio nicht eignen. Hier steckt eine Menge in den Tracks, palmgemutete Gitarrengrooves, befeuert vom verzerrten Bass, Härtegrade zwischen Neunziger-Thrash-Mithüpfen und Hardcorepunk-Tempo, Gitarrenfiguren aus dem Black Metal – etwa in „Shadow‘s Dance“ – oder dem Nu Metal, nur ohne dessen weinerlichen Kontext, und dazu zwei Stimmen, weiblich und männlich, die wahlweise Screams oder Gebrüll loslassen, dezidiert auch mal Tribal-Shouts, besonders ausgeprägt in „Mrs Vengeance“ und „Master Inside“, oder eben auch mal gerappt, wie in „We’re Stronger Together“, abermals ohne Nu-Metal-Zusammenhang. Einen Energieabfall gibt es auf „Diary“ nicht zu verzeichnen, allerhöchstens, wenn die Band von Hardcore auf Thrash umschaltet und man in dieser halbierten Härte seinen Nacken nur noch jeden zweiten Takt bricht.
Was die Band von Anfang an fasziniert, sind japanische Kulturgüter wie Visual Kei, erkennbar auch an den Manga-Covers. Das neue Cover referiert zudem an den Film „Matrix“ und ist deutlich düsterer gehalten als die der vorhergehenden Singles, EPs und des Debüts „Exile“ aus dem Jahr 2022. À propos Singles, die beiden 2024 veröffentlichten Songs „Nothing Can Stop Me“ und „Between The Eyes“ sind auf dem Album nicht enthalten, obwohl dafür massig Platz wäre.
Die Band besteht aus den Brüdern Lionel (Gesag) und Kevin (Gitarre) Rivollet, die Kamizol-K 2015 mit dem zweiten Gitarristen Gaëtan Cucco gründeten. Ein Jahr später stießen Bassist Nicolas „Nico“ Fazzalari von der Band Edge Of The Fall und Sängerin Marie „Chucky“ Chap (oder Sylak) hinzu, seit 2019 trommelt Anthony „Antho“ Reyboz, zuvor bei Carnage Of Children und Kronos. 2018 erschien die erste EP „Awakening“, 2019 die EP „Rising“.