Von Matthias Bosenick (26.11.2024)
Da mag einer die Neunziger, die von den Sechzigern inspiriert waren: „Lights“, das Solo-Debüt des norwegischen Bassisten Julius Lind, klingt wie die tanzbaren Indiebands aus England oder Schottland, die zu tief am Plattenregal ihrer psychedelischen Eltern geschnüffelt hatten. Mit seinem zwei Mitstreitenden erzeugt Lind ein Gefühl für Madchester und Fußspitzengucken, an dem man während des ausgelassenen Herumtanzens seine Freude hat, herauszuhören, wovon genau er sich wohl gerade inspirieren ließ. Der Vorteil des Trios: Dabei bleibt es nicht, die acht Songs entwickeln einen eigenen Vollrausch.
Gitarre, Bass, Schlagzeug, alles ist komplett auf Groove getrimmt, keines der Instrumente kommt hier lediglich als Tapete zum Einsatz, und wenn, dann als eine mit aufmerksamkeitsbindendem Muster. Hier wechselt gerade irgendwo in Großbritannien das Jahrzehnt von Achtziger auf Neunziger, stark beeinflusst von den Sechzigern, von der Psychedelik der mit Gitarren und Chemikalien ausgestatteten Blumenkinder, deren musikalische Versponnenheit durch die nachfolgende Generation einen tanzbaren Rahmen erhielt. 1992, plusminus ein paar Zerquetschte: Die Gitarren meist klar, mal mit Fuzz gespielt, zur Rhythmussteigerung mal die Bongos herausgeholt, der Bass achtelt nie einfach nur, benebelt herumlungern ist so Sechziger, hier wird gezappelt.
Man mag die noch gitarrendominierte Ravekultur ganz besonders heraushören, die war ja derbst psychedelisch grundiert. Shoegaze hallt in den flächigen Passagen nach. Den leicht angekippt noisigen Indie-Schrammelrock von The Jesus And Mary Chain erkennt man, die konnten schließlich ebenfalls tanzbar. Ride schimmern durch, die Stone Roses maßgeblich, dazu viele weitere Vertreter jener Epoche. Das Trio Julius Lind verrührt alles zu einer eigenen Pastiche, die zu hören eine beeindruckende Zeitreise darstellt.
Interessanterweise spielt der ansonsten, etwa bei dem Lofi-Trio Action & Tension & Space, als Bassist in Erscheinung tretende Lind hier die Gitarre. Den Bass reicht er weiter an Richard Myklebust, der ansonsten bei The Megaphonic Thrift oder Stereo 21 zuhause ist. Das Schlagzeug spielt Eikir Kirkemyr, unter anderem ausgeborgt bei der Emo-Band Flight Mode. Viele artfremde Einflüsse für diese drogeninduzierte Zeitreise!