Von Matthias Bosenick (03.06.2025)
Die Ausgangslage ist noch interessanter, als sie beim ersten Auftreten erscheint: „Retour vers No Future“ ist die Zusammenarbeit von einem Synthwaver und einem Rapper, beide aus der Schweiz. Spannend genug, geht es hinter den Kulissen noch spannender weiter: Jener Rapper nennt sich LabLase und heißt eigentlich Baptiste Morisod, als jener trat er gelegentlich schauspielerisch in Erscheinung, etwa in der Serie „Helvetica“. Der Synthieproduzent nennt sich Jisei, heißt eigentlich Bertrand Pot und ist Gitarrist der Sludge-Metal-Band Herod. Auf der gemeinsamen EP nun hört man einen Sprechsänger, der seinen auf Französisch gehaltenen Flow zu düsteren Electro-Flächen mit minimalistischen Beats ausrollt.
Ziemlich dunkel sind die Sounds, die Pot hier generiert. Zwar integriert er Beats in die fünf Tracks, doch sind die Stücke so düster und dramatisch gehalten, dass die Beats zunächst kaum auffallen vor lauter Atmosphäre. Zudem arbeitet er mit flachen, höhen Hi-Hat- und Snare-Sounds, die die spärlichen Bassbeats begleiten, das erhöht das Artifizielle an der ohnehin synthetischen Musik. Dazu lässt er Synthies knarzen und pluckern, aber auch in höheren Tonlagen gestaltete Dramatapeten anbringen. Die Gesamtlage ist eher gruftig – auch mit dem Rap. Seinen Flow generiert Morisod in einer eher gleichbleibenden Tonlage, die er zwar kaum variiert, aber zu steigern weiß, analog zur Dramatik der Sounds.
So startet die EP mit einem Downbeat als gruftiger Dark-Synth mit der genannten Sprechweise; „La Méprise“ leitet die Zusammenarbeit verhalten ein und wird mit „À la lune“ noch verhaltener, denn dieses minimalistische Stück lässt den Takt kaum erkennen, zu dem sich der Rapper auslässt. Erstmals in den Club geht es mit „Louis XVI“, in dem ein IDM-Beat den Druck erhöht. Die Single „Métavers“ fordert mit an die Neunziger erinnernden Hip-Hop-Sounds zum energischen Kopfnicken auf, hier brummelt der Rap auch mal vor sich hin, bevor das Gesamtpaket wieder loslegt und sogar an alte Nine Inch Nails denken lässt. Dies ist der einzige Track, in dem sich Pot und Morisod formal annähern, die Sounds also wirklich nach Hip Hop klingen. Das vergeht mit „Cervelas“ wieder, da ist der Synthwave wieder dark und dramatisch, trotz der Kopfnicker-Beats, und läuft noisy in eine Idee von Industrial aus.
Mit „Retour vers No Future“ setzt Pot seine Arbeit als Jisei fort, die er 2024 mit dem eine Installation begleitenden Track „Apnoea“ und der EP „Jisei“ begann; Pot selbst schreibt den Namen seines Projektes in Großbuchstaben. Bei Jisei handelt es sich um den japanischen Begriff für ein Abschiedsgedicht, dass vor einem Suizid verfasst wird. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem queeren Grindcore-Duo aus Vancouver. Für Morisod nun scheint dies das erste Auftreten als Rapper LabLase zu sein. Kann man kaum glauben, der muss das jahrelang heimlich nachts unter der Bettdecke geübt haben.