Von Matthias Bosenick (02.11.2013)
Man muss es so sagen: Dies ist der erste gute Asterix-Band seit weit mehr als 20 Jahren. Bitter, was der verbliebene Schöpfer Albert Uderzo nach dem Tod des Texters René Goscinny aus der einst so guten Serie zuletzt für einen Mist gemacht hat. Okay, es klingt womöglich wilder, als es ist, betrifft es doch trotz all der Jahre lediglich ein halbes Dutzend Bände. Jetzt gab er aber endlich den Griffel ab. Da kann man natürlich sagen: Das ist wie Queen ohne Freddy Mercury und also nicht mehr Asterix; man kann auch sagen: Das ist wie bei den Drei Fragezeichen, wo auch Fans die Serie weiterschreiben. So verhält es sich nämlich bei den „Pikten“: Es finden sich Versatzstücke aus der glorreichen Asterix-Zeit mit einer beliebigen Rahmenhandlung und einigen gelungenen Gags. Wäre dieser Band indes gar nicht erschienen, hätte man „Gallien in Gefahr“ (beziehungsweise „Asterix feiert Geburtstag“) als letzten Band in Erinnerung behalten, und das wäre wirklich ein unschönes Ende für die Serie gewesen; schade ist es aber, dass es nicht Uderzo selbst war, der nochmal die Kurve kriegte.
Immerhin sind Ferri und Conrad keine Jungspunde von der Akademie (sondern beide Jahrgang 1959), die alles besser und moderner machen wollen. Im Gegenteil, Conrad eignet sich Uderzos Stil früherer Tage recht überzeugend an. Das muss wiederum deprimierend sein, sich als Künstler dergestalt selbst aufzugeben und in den Schatten des Großmeisters zu stellen. Immerhin, damit erhält er die Seele der Serie zumindest optisch schon mal. Keine Raumschiffe, kein Micky Maus, die Panels überwiegend klein genug, um genug Geschichte unterzubringen, anstatt sie mit großen Bildern knapp zu halten. Auch die neuen Figuren sehen so aus, wie man sie sich bei Uderzo vorgestellt hätte.
In dieser Geschichte greift Texter Ferri auf die altbewährte Methode zurück, die Gallier historische Volksstämme an exotischen europäischen Orten besuchen zu lassen. Dieses Mal die Pikten in Neukaledonien, also Schotten in der nach ihnen benannten Gegend. Das nimmt Ferri zum Anlass für die üblichen Völker-Klischees (hier: Whisky, Tätowierungen, Karos, Kilts, Baumstammwerfen, Nessie, Rock’n’Roll) und für wieder dichter an Goscinny gelehnte Wortspiele (Piktogramme, pikiert, Macker (wegen Mac) und dergleichen weitere Gags, über die man wirklich mindestens schmunzeln kann). Aber: Die Geschichte ist recht banal und lässt es an Goscinnys Komplexität vermissen, und die Gags und Versatzstücke sind wie falsche Legosteine bisweilen recht unmotiviert in die Story gesetzt: Von jetzt auf eben brechen Asterix und Obelix etwa in Streit aus, der sofort auch wieder beendet ist. Oder die Gags sind völlig unmotiviert und ohne Zusammenhang; Haupt-Pikte Mac Aphon (der übrigens derbe nach einer anderen Comicfigur von Goscinny und Uderzo aussieht, Umba-Pah nämlich) zitiert ständig irgendwelche Popsongs oder Musikstile, und im kleinen gallischen Dorf ist ein römischer Volkszähler unterwegs, auf den die Dorfbewohner zwar genervt reagieren, ihn aber nicht hochkant hinauswerfen. Manche Gags versteht man gar nicht – was aber auch an der Übersetzung liegen kann. À propos: Bis Band 29, also just bis zum Qualitätsabfall auch beim Autoren, war Gudrun Penndorf die sehr gute Übersetzerin der Serie. Danach dachten die Übersetzer, es wäre lustig, zeitgenössische Phänomene unterzubringen, was dazu führte, dass die Gags in den Bänden schnell veralteten. Der jetzige Übersetzer Klaus Jöken hat seinen Job so gemacht, dass die „Pikten“ das Zeug zur Langfristigkeit haben. Gut ist übrigens, dass Ehapa jetzt auf das völlig ignorant die Originale zerstörende Druckschriftlettering verzichtet und eine Art Handlettering in die Sprechblasen quetscht – das allerdings ausschließlich in Kapitalen erfolgt und daher nur recht schwer lesbar ist.
Einiges machen die neuen Autoren auch bewusst anders. So lässt Obelix seinen Gefährten Idefix im Dorf zurück, und Troubadix wird einmal per gestelltem Bein ins Meer befördert anstatt per Faust in den Boden. Das ist virtuos und genehmigt, das hätte den Alten auch eingefallen sein können. Im Rahmen der sonstigen recycelten Running-Gags („Ich bin nicht dick“) erinnern sie eben auf souveräne Weise daran, wie diese Elemente früher aussahen.
An Asterix gibt es aber auch grundsätzlich etwas auszusetzen, trotz allem Guten, Lustigen, Informativen, gar Kultigen. Die Länderstereotypen zum Beispiel sind nur mit dem Augenzwinkern der Autoren akzeptabel, anderen hätte man schnell Rassismus vorgeworfen, etwa dem frühen Hergé. Dann lösen die Gallier ihre Konflikte zwar hauptsächlich mit Asterix‘ Köpfchen, grundsätzlich aber auch immer wieder mit Gewalt. Und dann ist die Freundeskonstellation von Asterix und Obelix unglaubwürdig, wie bei Micky und Goofy: Würden ein Superschlauer und ein Idiot wirklich so enge Freunde sein, dass der eine ständig auf des anderen Dummheit herumhackt? Da sind Spirou und Fantasio als Gespann deutlich überzeugender. Erstaunlich übrigens, dass all die negativen Eigenschaften auch auf TKKG zutreffen. Aber das nur am Rande.
„Asterix bei den Pikten“ macht Hoffnung darauf, dass die Serie nicht vollends in den Schund abdriftet. Wenn das neue Autorenteam jetzt etwas mehr Eigenständigkeit entwickelt und den Respekt vor den Meistern zugunsten seiner eigenen Kreativität ablegt, könnte Band 36 ein richtig guter werden. Wo übrigens sind die römischen Ziffern abgeblieben?