Jan-Friedrich Conrad – Crime Scenes – Bartling Schallplatten 2024

Von Matthias Bosenick (31.05.2024)

Von Jan-Friedrich Conrad stammt der zweitwichtigste Titelsong der Hörspielreihe „Die drei ???“: Die Synthpopmelodie mit den Vocoderstimmen, die den Seriennamen wiederholen. Auch sonst trägt der Komponist seit Jahrzehnten Musik zu dieser und anderen Kopfkino-Serien bei. Auf „Crime Scenes“ sammelt er satte 60 Tracks nicht nur aus Rocky Beach, und zwar als Stream und Doppel-CD sowie in reduzierter Fassung auch als Doppel-LP. Diese Sammlung belegt: Einen Teil der Tracks erkennt man durchaus aus den Hörspielen wieder, ein Teil der Tracks würde auch für sich als attraktive Musik durchgehen und einen Teil der Tracks kann man als kaum mehr denn als funktionalen Zweck betrachten. Ein großer Kaufgrund sind die enthaltenen Raritäten.

Natürlich eröffnet Conrad die Sammlung mit dem Titelstück, hier in der 1991er-Version mit alternativen Vocals, also der raren Fassung, in der auch die Namen der Detektive vorgevocodert werden. Track zwei bricht dann gleich mit den Erwartungen: „Beautiful Bay (With Guitar)“ kommt dem Rezensenten gar nicht bekannt vor, und anstelle von reinen Synthieflächen gniedelt der Musiker titelgemäß zu solchen auf seiner E-Gitarre herum. Nicht der einzige Track in der Kombi, die wendet er häufiger an. Bis zum nächsten Stück, das man wiedererkennt, dauert es dann etwas, und das, obwohl man sich auf der ersten CD noch in der Sektion „Classic Crime Scenes“ befindet, man also die Tracks aus der Anfangszeit von Conrads Beteiligung am Der-Fragezeichen-Soundtrack vorgesetzt bekommt, die man häufiger gehört haben wird als die von CD 2, die „Modern Crime Scenes“. Dennoch: Die wenigsten sind einem vertraut, und bei noch viel wenigeren hat man sofort eine konkrete Story im Ohr oder am besten gleich die Stimme von Peter Pasetti.

Auch da stellt man fest, dass sich der Schwerpunkt der Kompositionen nach dem unschönen Rauswurf von Carsten Bohn verlagerte: Dessen Musik kann man losgelöst von den Hörspielen auch heute noch wunderbar genießen, erkennt jeden Ton wieder, fühlt sich wie zu Hause und freut sich über Komposition, Instrumentierung, Arrangement sowie die wohligen Emotionen, die all dies sofort auslöst. Bei allen folgenden Hörspielmusikern reduzierte sich die Menge solcher Tracks erheblich, der überwiegende Teil dient reinen Zwecken – nämlich, Lücken zu füllen. Da muckeln die Mucker ein bisschen vor sich hin, wenden ihren Fuhrpark an und generieren Funktionales, Verwechselbares und Egales.

Grundlegend nett ist ja, dass man auch Conrads Stücken anhört, in welcher Zeit sie entstanden; ein synthetischer Bass wie aus dem „Miami Vice Theme“ von Jan Hammer ist eben oldschool wie nix. Von cheesy Effekten gar nicht zu reden, fiepsige Synthiesounds, Glockenkeyboards wie auf der Dorfhochzeit, simple Arrangements und Strukturen wie bei Stock Aitken Waterman, das schreit nach Achtzigern; manchmal übertreibt es Conrad indes, einiges ist nur schwer zu ertragen. Die meisten Tracks nun wollen Atmosphären generieren, andere sind flotte Uptempopopsongs, zwischendurch gönnt sich der Gitarrist ein Solo. Oder einen Harfentrack, „Mountain Ride“ ist wirklich schön geworden, brüchig, einsam, melancholisch. Lustig: Das Intro von „Brass Paradise (With Lead)“ zitiert „Sonne in der Nacht“ von Peter Maffay, der Rest indes scheint nie in einem Hörspiel eingesetzt worden zu sein, was auch gut ist, der nervt. „Hacienda Sanches“ klingt nach einem mexikanischen Suspense-Score.

Den Übergang von „Classic“ zu „Modern“ markiert die Titelmelodie, zum Schluss von CD 1 in der chilligen Version mit der Flöte, zum Beginn von CD 2 die neue Version, die im „Bobcast“ zum Einsatz kommt, in dem Andreas Fröhlich, Sprecher des für Recherchen und Archiv verantwortlichen dritten Detektivs Bob Andrews, mit Kai Schwind unter dem Motto „Haschimitenfürst“ historische Geschichten aus dem Tonstudio erzählt. Im Verlauf der nun folgenden Tracks fällt auf: Zwar fehlt der Nostalgie-Faktor, weil es sich um eben neuere Tracks handelt, aber jener Faktor war auf CD 1 ja auch schon nur spärlich gegeben, da einem das meiste gar nicht bekannt vorkam. Und es fällt auf, dass die Sounds insgesamt verträglicher klingen, mehr auf dem Boden, weniger cheesy, wo nötig kompakter oder atmosphärischer, bisweilen sogar angenehm experimentell und mit mutigeren Instrumentenklängen, etwa Saxophon oder Sitar. Die Trompete in „Into The Void“ könnte glatt echt sein und verweist mit dem Ambient-Pluckern im Hintergrund auf Till Brönner. „Third Street“ mit dem Gesang von Schauspielerin Schirin Kazemi hingegen ist ein trashiger moderner Autotune-Clubtrack. In „Knarzen im Gebälk“ spielt Conrad mit wilden Drumpatterns herum. „Ballspiel“ ist ein schwüler Achtziger-Popsong mit Stöhnchor. „Aneunminusarp“ kommt in der Serie so oft zum Einsatz, dass man es als liebgewonnenen Ohrwurm mit sich herumträgt und nun darüber freut, es auf Tonträger zu besitzen. Losgelöst vom Verwendungszweck funktioniert die zweite CD als reines Musikalbum wesentlich besser als die erste.

Das Nicht-Wiedererkennen kann indes auch daran liegen, dass hier offenbar nicht ausschließlich bei den drei Detektiven verwendete Tracks zusammengetragen wurden, sondern auch solche für andere Serien wie „Das Schloß-Trio“, „5 Freunde“, „TKKG“, „Knight Rider“, „Air Wolf“, „Hanni & Nanni“, „A Nightmare On Elm Street“ und weiteren. Die kann und will man ja gar nicht alle gehört haben. So ähnlich war es auch schon auf der CD „Hörspielmusik“, die Conrad 2010 bei Sony herausbrachte. Lediglich als Download gab es noch „Best Of Hörspielmusik, Vol. 1“ und „Hörspielmusik: Die Drei ??? ‚Myst‘“ sowie „‚Action‘“ mit auch nochmal über 100 Tracks zusammen, die vereinzelt auch auf der „Crime Scenes“ vertreten sind. Erstaunlich ist, dass Conrad im Parallelleben Mitglied von Punk- und Post-Punk-Bands ist, mit so wundervollen Namen wie Razzia und Milzbrand. Davon hätte man gern etwas mehr in den Hörspielen wahrgenommen; „Clavinet-a-Gogo“ knüpft daran als einziges ein bisschen an.

Conrads Titellied löste 1991 das Theme von Manuel Backert ab, das der Musik von Carsten Bohn als erstes gefolgt war, und behielt diese Position bis 2008 bei. Ab Folge 125 musste ein neues Theme her, das Simon Bertling und Christian Hagitte unter dem prima googlebaren Namen Stil seitdem beisteuern. Wie wenig identifikationsstiftend dieser Track ist, belegt, dass es nicht lang dauerte, bis Conrads Thema nicht nur im Abspann, sondern auch zwischendurch immer wieder eingebaut wurde. Hätte man mal durchgehend als Eröffner beibehalten sollen, wenn man schon das Kriegsbeil mit Bohn nicht begraben bekommt.

Nett ist, dass Conrad mit Andreas Ruch einen Illustratoren für das Coverdesign gewann, der alternierend zu Silvia Christoph sowieso schon häufiger Drei-Fragezeichen-Cover beiträgt und sich hier an alte Themen der Ur-Zeichnerin Aiga Rasch anpasst. Auf Vinyl muss das besonders bombig aussehen – schade nur, dass da aus Platzgründen nicht alle 60 Tracks enthalten sind. Conrad habe zwar die Stücke mit dem größten Drei-Fragezeichen-Bezug dafür ausgewählt, nur stimmen die nicht zwingend mit der eigenen Verknüpfung überein:

Die ausgewählte Playlist des Rezensenten mit dem Wiedererkennungs-Nostalgie-Faktor:
CD1
01 »Die drei ???«-Thema (Edit 1991, Alternate Vocal)
03 Take Off
15 Without A Trace (With Percussion)
16 Shadows
18 Sedona Theme
19 Brass Paradise (With Lead)
21 Mountain Ride
22 Lottery (Slow Tempo)
29 Demonius (Shortened, With Overdubs)
31 »Die drei ???«-Thema (Acoustic Version, With Flute)

CD2
32 »Die drei ???«-Thema (Bobcast Version)
33 Kidnappers Track Reloaded
36 Into The Void
38 Feuersturm
39 Reinstalled
40 Aneunminusarp
41 Ballspiel
43 Sagenhafte Stabs
44 »Die drei ???«-Thema (Vocoder-Chor-Version)
53 Angstfieber
60 »Die drei ???«-Thema (Abspann)

Enthalten auf der Vinyl-Version (mit den CD-Tracknummern vorweg (in Klammern, wenn abweichender Titel)):
Classic Crime Scenes A-Seite:
01 »Die drei ???«-Thema (Edit 1991, Alternate Vocal)
02 Beautiful Bay (With Guitar)
04 Energetic (Slow Tempo)
05 Fountain (Consonant Version)
06 Tear Down The Shady Place (With Lead)
07 Rubicon Point (Slow Tempo)
(14) Lies (With Drums)
15 Without A Trace (With Percussion)

Classic Crime Scenes B-Seite:
18 Sedona Theme
(19) Brass Paradise
20 Sierra Madre Volcano
21 Mountain Ride
22 Lottery (Slow Tempo)
24 Iceblade (Fast Tempo)
25 Hacienda Sanchez
28 Tunnel Tide (Without Overdubs)
30 Suspicious Dusty (Fast Tempo)
31 »Die drei ???«-Thema (Acoustic Version, With Flute)

Modern Crime Scenes A-Seite:
32 »Die drei ???«-Thema (Bobcast Version)
34 Goblins Walk
35 Mighty Ozone
36 Into The Void
38 Feuersturm
40 Aneunminusarp
42 Der Siebte Weg
44 »Die drei ???«-Thema (Vocoder-Chor-Version)

Modern Crime Scenes B-Seite:
46 Third Street (ft. Schirin Kazemi)
48 Spied Out
49 Electric Boogie (Taipan Version)
52 Glubschding
53 Angstfieber
56 Sparkle Degree Darkness
58 Uni Harpsi
59 Shooting Star (Reproduction)
60 »Die drei ???«-Thema (Abspann)