Von Matthias Bosenick (06.06.2025)
Dieser Compilation liegt eine Tragödie zugrunde: Vor 20 Jahren starb Jake Stephenson an einem epileptischen Anfall. Bis dahin hatte der Engländer unter unzählbar vielen Aliassen und Projektbeteiligungen elektronische Trancemusik produziert, von der das Label Fruits de Mer Records jetzt eine unterschiedlich dicke Zusammenstellung herausbringt, von der Teile des Erlöses an die Epilepsieforschung gehen. „Space Is High“ gibt im Titel andeutungsweise den Treibstoff dieser Tracks preis und lädt ein zu einer Zeitreise in die Trance-, Psytrance-, Ambient- und sonstigen Chillout-Electro-Momente der Neunziger.
Zählen wir mal durch: Die Solo-Projekte von Stephenson sind 3rd Eye, Acid Trip, Agent Purple, Alien Mutation, Alternative Universe, Ashtar, Astronomy Domain, Balearic Bliss, Bass Meditation, Black Noise, Bliss, Chakra Static, Chandra Man, Curly Whirly Spirits, Dance Missionaries, Digital Bubble, Doctor Yes, Dr. Psychedelic, Dreamscape, Drum And Bass Heads, Dubopera, Eclipse, Electric Brain, Electrode, Electronic Brain, Euphoria, Eurotek, Ganja Beats, Jake Optic, Lunar, Magnetic Force, Mantra, Medusa, Mekhala, Mind Bubbles, Mind Control, Moon Man, Naganah, Nubian Eye, Psychoheads, Reefa Madness, Shamanic Tribes On Acid, Sound Dimension, Space Trip, Sum Thucker, Suns Of Utopia, Super Skunk, System 2000, The Buddha Of Battersea, The Chill Out Blues Organisation, The Madmen, The Pot Heads, The Preacher, The Psychedelic Strippers, Time Zone, Trance Addicts, Trancedelica, Trancendental, Universal Spirit, White Star – so weit Discogs. Dazu kommen die Projekte mit Matt Hillier (Alien Mustation vs Indigo Egg, Crystal Moon, Colourform, Symbiotic) und mit Brian Trower (Optica, Optic Eye).
Da die Übersicht zu behalten, ist schon Kunststück genug, aber man kann ja beim Sortieren die Mucke als Entspannungshilfe hören. Da sind neben einigen lustigen Namen – The Buddha Of Battersea etwa – schon Bezeichnungen darunter, die ungefähr plausibel machen, mit welchen Betriebsmitteln sich Stephenson zu seinen Tracks inspirieren ließ, vom Kiffen über Pilze bis Lysergsäure, Hauptsache, es geht high up into space, schietegal, ob äußerer oder innerer. Die Auswahl für diese Zusammenstellung nun trafen Labelbetreiber Keith Jones, Jakes Bruder Silas Stephenson, Astralasia-Musiker Marc Hunt alias Swordfish, der alles für lau remasterte, sowie die beiden Projektpartner Hillier und Trower. Sie stellten Material für eine Doppel-LP und eine Dreifach-CDr zusammen, die auch das Dreifache an Spielzeit und somit Tracks zur Auswahl bringt. Im Stream hingegen findet man diese Compilation nicht. Zum Reinhören gab es die Stücke der LP-Variante.
Auf fällt, dass viele Tracks aus heutiger Sicht etwas einfach wirken: flächige Soundscapes im Hintergrund, eher simpel gehaltene minimalistische Melodieloops, dazu Samples und vornehmlich gebrochene Rhythmen. Den Tracks liegt eine Art Funktionalität inne, als wären sie nach Anleitung angefertigt, um einen Zweck zu erfüllen, nämlich den, eine biologisch bis chemisch generierte Entspannung zu begleiten. Nüchtern betrachtet begibt man sich auf eine trotzdem vielseitige Reise in das spacige Universum von Jake Stephenson.
Mit „Crystal Moon“ von Optic Eye rollt die Zusammenstellung den roten Faden aus: Das Stück ist zart und legt Loops auf eine Synthietapete. Die generiert Stephenson überdies mal analog, mal digital, was im Verlauf auch zu unterschiedlichen Atmosphären führt. In „Alqa“ von Alien Mutation etwa knarzt es herrlich analog, bevor es in Ambient übergeht und spät zu gebrochenen Beats führt und spacig noisige Sounds einführt. Seinem Titel „Space Cake“ wird das Stück von Dr Psychedelic gerecht, wenn überhaupt, dann bereichert ein lediglich subliminal wahrnehmbarer Beat diese Space-Synthies. Noch weniger Kontur hat „Sunrise“, das er unter seinem Klarnamen herausbrachte und das lediglich aus einer variierten Soundfläche und Naturgeräuschen besteht. So geht aufwachen.
Der „Dreamy Spliff“ von 3rd Eye bereichert seinen Space-Ambient mit etwas cheesy Synthiesounds und synthetischen Drums. Erst nach der Hälfte dreht „Life Spectacular“ von Lunar auf und lässt einen etwas flotteren Beat zu, der die vertrauten Space-Ambient-Chor-Sounds verfeinert. Auf die Bremse geht „Sea Of Mermaids“ von Crystal Moon, das die Stille feiert, mit Zwitschersounds und einer vorsichtigen Synthiemelodie. Zurück ins Vertraute kehrt der Titeltrack „Space Is High“ vom entlarvend betitelten Projekt Ganja Beats, das aber Hip-Hop-Beats drüberlegt und das Stück zum spacig groovenden Kopfnicker macht.
Die Systeme wieder herunter fährt das reduzierte „The Lost Forest“ von White Star, mit einer minimalistischen Melodie im Hallraum, gelegentlichen E-Drums und titelgemäßem Vogelzwitschern. Dafür geht’s mit „Analogue Spectrum“ von Optica endlich in den Psytrance, das Stück ist clubby, technoid, treibend. Mit „With The Wind Blows Peace“ von Shamanic Tribes On Acid kehrt der Sound zurück zur Chill-Out-Mucke, mit einem auf und ab mäandernden Keyboard, pastelligen Soundflächen und einem Hauch von Beat. Der Abschluss der gesamten Compilation besteht aus einem Track, der kürzer ist als sein Titel: „Glow With All The Colours Of The Rainbow“ von Optica besteht lediglich aus verfremdeter Sprache im Echoraum.
Die zweite und dritte CD bergen zusätzlich noch folgende Track: Symbiotic – Minute Of Technology, Bass Meditation – Endless Bliss, Optica – Hashidity, Bass Meditation – Welcome To Paradise, Dr. Psychedelic – Force Of Light, Alien Mutation Vs Indigo Egg – Sea Of Tranquility, Alien Mutation – Ambience To Addle Your Brain, Ganja Beats – Floating In Rainbow Bubbles (Ultra Chill Mix – Edit), Alien Mutation Vs Indigo Egg – Gateway To The Sun, Ganja Beats – Deep Space, Crystal Moon – Butterfly, Visions Of Surya – Kaleidoscope, Space Trip – The Cosmic Key, Dr. Psychedelic – The Golden Light.