Von Matthias Bosenick (01.10.2015)
Wer hätte das gedacht, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich hat: Zum 16. Mal veröffentlichen die Miterfinder der NWoBHM ein Studioalbum, zum ersten Mal als Doppelalbum und mit dem bis dato längsten Lied ihrer Karriere. Die Mucke ist kompakt, galoppierend, irgendwie heavy, progressiv, melodiös, und man freut sich, dass Bruce Dickinson nach seiner Kehlkopfkrebserkrankung wieder zu solch hohen Tönen in der Lage ist. Innovationen sollte man hier jedoch nicht erwarten, und 92 Minuten sind einfach echt mal viel und nicht zwingend nötig. Aber hey! Up the irons! Und es ist das geilste Cover seit „Fear Of The Dark“, und das war 1992.
So sieht es aus: Die sechs alten Herren gönnen weder sich noch dem Hörer eine Atempause. Es mag mal die ein oder andere dezentere, entschleunigtere, pianodominierte Passage geben, aber insgesamt fahren sie alle Instrumente voll auf und roden den Urwald; die Maya sind nämlich Thema des Albums. Das Sextett bildet einen Querschnitt durch rund 35 Jahre Iron Maiden: Man hört die Macht der drei Gitarren, den Galopp des NWoBHM-Basses, die ausufernden progressiven Stücke der Blaize Bailey-Ära mit nacheinander abgegniedelten Soli, die Melodien zum Mitgrölen im Stadion, die mit mehr Vergnügen, als es die Musik vorgibt, eingedroschenen Schlagzeugarbeiten. Jawoll, die Herren haben Spaß und gewähren „The Final Frontier“ einen schlüssigen Nachfolger. Geile Mucke, geile Scheibe, Metal!
Oder auch: Nichts Neues bei Eddies Mannen. Die ellenlange Soli kann man nicht mehr auseinanderhalten. Bei dem Versuch, sich an Melodien zu erinnern, landet man zunächst bei Stücken von „The Final Frontier“, weil die neuen denen sehr ähneln. Wenn Melodien sich dann doch einprägen, dann deshalb, weil sie sehr simpel sind und oft wiederholt werden. Der Bassgalopp scheint hier oft nur deshalb wie beiläufig eingearbeitet zu sein, weil er eben zum Trademarksound der Miterfinder der New Wave of British Heavy Metal gehört, aber nicht mehr zwingend aus den Komponisten quillt. Braucht man ernsthaft von erwachsenen Männern im Jahr 2015 noch neue Mitgröhlstücke fürs Stadion? Wir sind hier nicht auf Ibiza, Bruce. Und Kuhglocken, mein Gott, Kuhglocken! „Seventies Rock Must Die“, skandierte schon Jello Biafra mit dem Ministry-Projekt Lard. Kuhglocken gehen nur noch bei LCD Soundsystem. Und warum schlagen sich die Maya-Themen nicht musikalisch nieder? Es muss ja nicht wie weiland bei Sepultura sein, aber ein bisschen Südamerika hätte ruhig in die Kompositionen einfließen können. Innovationen sind hier auf Null gesetzt; stünde nicht „Iron Maiden“ auf dem Cover, hätte sich niemand für dieses Album interessiert. In Sachen Heavy Metal gab es in den vergangenen 25 Jahren deutlich härteren Stoff für die Gemeinde, Maiden 2015 sind vielleicht gerade so ausufernder Poprock. Und um eine halbe Stunde gekürzt wäre „The Book Of Souls“ ein treffsicherer Knaller geworden.
Was sagt der Hörer am Ende? Mit beiden Gedankengängen im Hinterkopf? Nichts: Er brüllt „Up the irons“, spreizt die beiden äußersten Finger seiner Hand und mosht mit, was das Zeug hält. Rock’n’Roll! Oder, um es mit Slammerin Annika Blanke zu sagen: „Maiden! Sind! Gott!“ Verdammte Axt nochmal.
Dieses Album gibt es in unterschiedlichen Varianten, lohnenswert ist die schon für unter 20 Euro erhältliche Version im schicken Buch. Auf Vinyl bekommt man die fette Dreifachbox, die schon wegen des großen Eddie-Kopfes ein Prachtstück ist. Maiden, Mann!