Von Matthias Bosenick (12.12.2013)
„Inside Llewyn Davis“ ist ein nicht ganz so typischer Coen-Film mit einigen typischen Coen-Elementen. In blassen Farben erzählen die Brüder die Geschichte des fiktiven US-amerikanischen Folksängers Llewyn Davis, der 1961 an seiner Erfolglosigkeit verzweifelt. Die stille Story ist gewürzt mit treffgenauen Dialogen, doch taugt der Barde nicht zur Identifikationsfigur, weil er eine eher unsympathische Mischung aus Arschloch und Loser ist. So ist der Film zwar sehenswert, aber nicht unbedingt wiedersehenswert.
Der Film bildet wenige Tage im Winter 1961 ab. Während man Davis begleitet, erfährt man anhand seiner Begegnungen Details aus seiner Biografie – als Erzählstruktur ist dies ein schöner Kniff, insbesondere, weil das Drehbuch nicht mit Rätseln startet und die Geschehnisse dadurch zunächst unverständlich erscheinen lässt, sondern vielmehr die Tiefe der Figur zusehends mehr auslotet. Davis ist unglücklich verliebt in eine Vergebene, die womöglich von ihm schwanger ist und das Kind abtreiben lassen will, weil sie Davis für ein Arschloch hält. Davis‘ Vater lebt dement in einem Altenheim. Sein Verleger bringt sein Album mit dem Filmtitel „Inside Llewyn Davis“ nicht an den Mann. Sein früherer Sangespartner stürzte sich von einer Brücke. Dazu kommen neue Unbillen wie zweitklassige Army-Typen oder irische Folklorechöre, die erfolgreicher und beliebter sind als er selbst.
Typisch für die Coens sind die schrägen Charaktere, die den Film bevölkern. Seien es die über-normalen Freunde, die Davis hat, oder der mysteriöse dicke Jazzsänger, in dessen Auto Davis nach Chicago mitfährt. Die spärlichen Dialoge sind treffgenau, zu den Charakteren passend und als Kontrast zur deprimierenden Geschichte sehr humorvoll. „Wofür steht das N.?“ – „Welches N.?“ – „Das in Lou N. Davis.“ Auch typisch für die Coens ist der metaphysische Kreis, den die Handlung beschreibt. Der Film endet exakt, wie er beginnt, und offenbart damit den Stillstand, in dem Davis verharrt, obwohl er permanent unterwegs ist. Das übrigens in Begleitung wechselnder Felidae, von denen einer treffend „Odysseus“ heißt.
Was die Figur Davis so unangenehm macht, ist die latente Streitlust. Von Anfang an gebiert er sich als brennende Lunte am Pulverfass, das jederzeit zu explodieren droht. Was nicht passiert, aber er benimmt sich trotzdem ständig daneben, lügt, ist egozentrisch, unzuverlässig. Seine Songs sind auch nicht mehr als Durchschnitt, aber immerhin hörbar. Davis betrachtet sich selbst als erfolglos, was er aber – siehe Anvil – lediglich gemessen an den eigenen Ansprüchen ist. Es gab und gibt genügend Künstler, die sein Leben bereits als erfolgreich ansehen würden. Doch im Film ist genau das natürlich der Kern der Dinge: Mit dem, was er tut, überschreitet Davis in der Folk-Szene von 1961 festgemauerte Grenzen. Nach ihm kommt nur noch Bob Dylan.
Sympathisch ist, dass die Coens für die Hauptrolle keinen schauspielernden Sänger verpflichteten, sondern mit Oscar Isaac einen Schauspieler zum Sänger machten. Für die Musik holten sie Typen ins Boot, die Oldschool- und Newschool-Folkfans anlocken: T Bone Burnett und Marcus Mumford. Justin Timberlake darf artfremd überzeugen, John Goodman wieder den ungemütlichen Sonderling spielen. Einmal ansehen ist okay, schlecht ist der Film nicht, aber die DVD wird man sich wohl eher nicht ins Regal stellen.