Von Matthias Bosenick (02.06.2022)
Ein zeitloses Stück Rockmusik, ohne heavy Verzerrung vom Classic Rock ausgehend in Blues, Stoner, Post, Space, Jazz und Prog driftend und mit Samples angereichert: Drei musikalisch im Raum Frankfurt am Main längst etablierte Herren finden sich für dieses Debüt unter dem verwechselbaren Namen Hum zusammen und scheren sich einen feuchten Kehricht um Radiotauglichkeit oder reine Genreanbiederung. Natürlich finden sich auf „One“ auch Passagen, die einem aus den genannten Bereichen vertraut vorkommen, aber in ihrer epischen Mischung sind die drei ganz bei sich, bringen zusammen, worauf sie Bock haben, und spielen es deshalb auch genau so: Sie haben Bock.
Interessanterweise würde das Album auch komplett instrumental gut funktionieren, was nun bisweilen daran liegt, dass die gelegentlich eingesetzten Stimmen nicht immer so ganz passen mögen. Das ist aber nicht schlimm, weil das Trio drumherum hinreichend hinhörbares Zeug arrangiert. So ein Boogie-Rhythmus erinnert natürlich klassisch an Classic Rock, an Status Quo, an gute Laune, und warum soll eine Musik, die als Stoner etikettiert ist, nicht auch trotzdem gute Laune machen – richtig so. Immer nur dröhn ist ja auch nicht das Wahre, und Hum machen keinen Dröhnstoner. Dafür sind die viel zu verspielt.
Die Siebziger brechen sich in dieser Musik natürlich schon sehr ausgeprägt Bahn, und weil Retro allein nun mal Scheiße ist, weil es all das gute Zeug ja bereits gibt, tun Hum das einzig Richtige, sie reichern es mit Artfremdem und Modernem an. Diese Art epischer Gitarrenflächen sind erst mit dem postmodernen Post-Rock so richtig auf der Bildfläche erschienen, das Verschleppte mit dem groovenden Bass gibt’s dann immerhin schon seit der Stonerzeit, und die per Keyboard eingefügten atmosphärischen Elemente wie Streicher oder Chöre, nun, die Achtziger kamen nach dem Classic Rock und sind aus der Perspektive ja nun auch fast modern. Hum begehen nun gottlob nicht den Fehler, so nach Progwichsart alle Elemente sinnfrei zusamnmenzuklatschen und dem Hörenden ihre Virtuosität ins Gesicht zu prengeln, sondern generieren einen chilligen Fluss, in dessen Verlauf die diversen Sequenzen einander nachvollziehbar folgen, mit Samples, Wahwahs und Soli, die die Stücke spannender machen als jede geträllerte Fantasysaga.
Der Sound hat abseits der Samples und der Soli ordentlich Raum, Hum kleistern nicht, vielmehr hat man nicht selten den Eindruck, dem Trio im Proberaum zuhören zu dürfen. Nach Proberaum klingt auch das trocken produzierte Schlagzeug, was gerade in diesem Kontext sehr sympathisch ist. Stoner muss nicht fett sein, Prog muss keine Leistungsschau sein, und Hum beherzigen diese Aspekte, können trotzdem ganz viel, auch haften bleibende Melodien, erzeugen spacige bis auch mal düstere Atmosphären, frickeln jazzig im angepasst verschleppten Tempo und grooven auch recht ordentlich.
Über die Vita der drei Musiker muss man die Info zu Rate ziehen. Schlagzeuger Stehn Raupach, in der auf Englisch übersetzten Info konsequent „Stand“ genannt, ist eigentlich Künstler, und einen Link zu Hum findet man auf seiner „Ausstellungen“-Seite versteckt, auf der zwischen lauter Kunsträumen der Elfer-Club in Frankfurt aufgeführt ist, in dem Hum offenbar vor zwei Jahren gastierten. Den Bass und die eine Stimme steuert Martin Krause bei, ein Name, den man sich merken muss. Dritter ist Harri Gottschalk, der die zweite Stimme, die Gitarren und die Samples hinzufügt und in Frankfurt offenbar als Electro-Jazzer einige Bekanntheit erwarb. Als Electro-Jazz etikettiert die Info auch das Referenzprojekt Sunsoundz Quartet, eines von vielen, in denen die drei Mucker in FFM aktiv sind: Cut The Crap (Funkrock), Nanu Djapo (Afrofunk), Leyla Trebbien (Soul, Deutschpop), Papa Tacata (Experimental Jazz), Fünf Herren (Spoken Word, Experimental) sind da aufgelistet, und wenn der Mix stimmt, erklärt das die vielseitige Grundlage, die Hum auf „One“ überzeugend abbilden.