Von Matthias Bosenick (02.06.2023)
One of these days wird Bluesprog der heiße Scheiß sein, wenn noch Orgeln dazu orgeln und der Sänger wahlweise operettenhaft oder röhrend singt und die Riffs zwischen Siebziger-Hardrock und Achtziger-NWoBHM changieren, puh. Die Norweger Hex A.D. rühren genau so ein Gebräu zusammen, und die gute Stunde auf dem sechsten Album – einem Konzeptalbum auch noch – „Delightful Sharp Edges“ verlangt den Hörenden, die nicht vordergründig auf klassischen progressiven Hardrock abfahren, sondern es bevorzugen, wenn auch neue Einflüsse und Überraschungen den Weg in die Musik finden, reichlich anstrengend, ungefähr so angestrengt, wie die Band authentisch sein will. Immer mit dem deutlichen Hinweis: Das hier ist kein Spaß! Schade eigentlich.
Riffs. Orgeln. Flöten. Knödelgesang. Riffs. Polizeisirenen. Theatralik. Riffs. Folkige Flächen. Bombast. Riffs. Twin Guitars. Synthies. Glocken. Riffs. Gegniedel and the damage done, um diesen alten Ausspruch einmal mehr heranzuziehen. Trotz eingepflegter chilliger Passagen hat man den Eindruck, mit Power nur so erdrückt zu werden, und das in einer Ernsthaftigkeit, als erfänden Hex A.D. den Hardprogrock justamente neu. Tun sie nicht, da wäre etwas mehr – sarenwama – Metahumor oder irgendwelche unerwartete rhetorische Kniffe angenehm gewesen. Nein, das Quartett meint das ernst, was es hier macht, und weicht davon keinen Millimeter ab. Ist ja auch gut, wenn Leute ihren Kram ernstnehmen, aber das ist etwas anderes, man kann (und sollte) auch seinen Humor ernstnehmen, sofern man welchen hat, und kann damit dann etwas unernst meinen.
Nun, die Ernsthaftigkeit in der Musik resultiert vermutlich aus der Ernsthaftigkeit des Themas, das diesem – Achtung! – Konzeptalbum zugrundeliegt: Es geht um Genozide, um organisierte Völker- und Massenvernichtungen. Dafür strukturieren Hex A.D. das Album dreiteilig, nummerieren diese drei Teile einfach titellos durch und lassen dies etwa dem Downloader oder Streamer gar nicht erst wissen. Auch musikalisch lässt sich der Übergang zwischen den Teilen, auf die sich die elf Tracks ausbreiten, nicht ausmachen, chillige, folkige oder Synthie-Passagen finden sich auch innerhalb der Tracks und Teile, nicht nur im Übergang, da verhält sich die Platte wie das Ruhrgebiet, dessen Stadtgrenzen inmitten der Bebauung liegt und die Grünflächen, die andernorts die Siedlungen voneinander trennen, mittendrin.
Diese Musik nun, die Hex A.D. auf ihrem sechsten Album seit 2014 zusammenfügen, kennt man bereits, und das ist, nach der plättenden Angestrengtheit, die zweitgrößte Hürde. Man hört Deep Purple, Pink Floyd (ca. „Meddle“), Iron Maiden (früh), Thin Lizzy, Fairport Convention, und man sieht Cathedral, deren Covergestalter Dave Patchett „Delightful Sharp Edges“ visualisierte, mit grünhäutigen Punks, die auf Einhornzebras in den Krieg ziehen. Den Sound von Cathedral hätten Hex A.D. bestimmt auch gern integriert, so wie sie es früher schon taten, aber zum Doom reicht es hier nicht. Die musikalischen Querverweise kommen überdies nicht von ganz so Ungefähr: Zwei der vier Bandmitglieder, nämlich Bassist Are „Arry“ With Gogstad sowie Sänger und Gitarrist Rick Hagan (eigentlich Henrik Haugsnes Kaupang), waren auch schon für die beiden Ex-Iron-Maiden-Sänger Paul Di’Anno und Blaze Bayley live im Einsatz, außerdem bei Tim Ripper Owens. Das Quartett voll machen Schlagzeuger Matt Hagan und Tasteninstrumentalist Mags Johansen, der mit Nergard und Secret Chapter nebenbei in weiteren Power-Metal-Gefilden herumschippert.
Man kann beim besten Willen nicht sagen, dass das Album hier musikalisch nicht hochwertig sei, das auf keinen Fall. Wer auf klassischen Progrock und Hardrock steht und jegliche Neuerung für Teufelszeug hält, kommt hier sehr auf seine Kosten und hat sicherlich eine Menge Freude daran. Wer moderne Einflüsse oder wildere Crossover mag, weil es alles andere ja bereits gibt, kommt hingegen zu kurz.