Von Guido Dörheide (10.10.2023)
Wir alle kennen dieses Meme (mir ist gerade so, als hätte ich erst unlängst einen Beitrag ganz ähnlich begonnen) – also dieses Meme mit der Katze und dem Text „Die Katze ging gerade rüber zu dem HomePod mini auf meinem Schreibtisch und miaute es an, und Siri sagte ‚Natürlich ist hier etwas Musik für Dich‘ und die Katze hockte sich auf die Fensterbank, Garbage und Elliott Smith hörend. Ich möchte nur wissen, wie lange das schon so lief.“
Bevor ich dieses Meme zum ersten Mal sah, hatte ich mich noch nie mit Elliott Smith beschäftigt, aber seitdem finde ich seine Musik großartig. Smith, der ungefähr genau vor 20 Jahren, am 21. Oktober 2003, unter nicht komplett geklärten Umständen, höchstwahrscheinlich aber durch Suizid, starb, spielte vor seiner Solokarriere in der Band Heatmiser aus Portland, Oregon. Sein Solowerk war hauptsächlich von melancholischem Indie-Folk geprägt, Heatmiser hingegen spielten leicht vom Hardcore beeinflussten Indie-Rock. In der Visions wurde die Musik der Band Mitte der 90er als „eine Symbiose aus den Beatles und Sebadoh“ bezeichnet – sehr schön, dass Sebadoh neben den Beatles als Referenz herangezogen wurden, und sehr schön, dass Sebadoh überhaupt als Referenz herangezogen wurden, hatte ich doch schon befürchtet, die Band wäre inzwischen zu Unrecht vergessen.
Auch Heatmiser habe ich erst im Zuge meiner Beschäftigung mit dem Werk von Elliott Smith kennengelernt, somit kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob diese Band vergessen ist oder nicht. Falls ja, dann auf jeden Fall zu Unrecht. Die Musik von Heatmiser, heute gehört, versetzt die Hörenden mit ihrem melodiösen, melancholischen und überaus lässig daherkommenden Lo-Fi-Indie-Schrammel-Gitarrenrock sehr schön in die 80er und 90er Jahre zurück; wer sich ein Leben ohne Dinosaur Jr., die besagten Sebadoh und die omnipräsenten und nicht totzukriegenden Guided By Voices nicht vorstellen kann, ist bei Heatmiser mehr als gut aufgehoben. Elliott Smith und Mit-Bandgründer Neil Gust teilen sich die Arbeit an der Gitarre und am Mikrofon untereinander auf, beide haben auch sämtliche eigenen Songs der Band geschrieben. „The Music Of Heatmiser“ ist als Einstieg in die Musik von Heatmiser gut geeignet, stellt jedoch keine komplette Werkschau, nicht mal eine komplette Reise durch Heatmisers Werk dar. Abgesehen von dem überzeugenden Beatles-Cover „Revolution 1“ (hier abgekürzt als „Revolution“) und „Wake“ von der 1994er EP „Yellow No. 5“ enthält das Album hauptsächlich Stücke vom 1993er Debütalbum „Dead Air“, und zwar teils als 1992er Kassetten-Version, teils als Demo-Version und teils als Radio-Live-Versionen bei KBOO in Portland. Zusätzlich gibt es zwei Songs, die 1992 auf einer nur auf Konzerten oder per Mailorder und ebenfalls als „The Music Of Heatmiser“ vertriebenen Veröffentlichung erschienen sind, sowie sechs Songs, die ich nirgendwo anders finde. Die KBOO-Aufnahmen tönen dumpfer als der Rest, gleichzeitig tritt der wunderbare Bass von Brandt Peterson sehr schön in den Vordergrund, die Kassettenaufnahmen klingen rauh, aber hinreichend wertig produziert, die gesamte Zusammenstellung lässt sich prima in einem Rutsch hören, ohne dass man das Gefühl bekommt, Aufnahmejahr und -sound wechseln von Track zu Track.
Nichtsdestotrotz ist es mit Sinnhaftigkeit behaftet, sich auch mit dem restlichen Werk von Heatmiser zu beschäftigen: Vom schrammelrockigen Debüt „Dead Air“, das sich anhört wie eine dieser melodischen, von abgehackten Gitarrenakkorden getragenen und Aussichtslosigkeit und Verzweiflung transportierende Sub-Pop-Kompilationen aus jener Zeit, haben sich Heatmiser über das die ursprüngliche Schrammeligkeit verfestigende Album „Cop And Speeder“ (1994) bis hin zum letzten Werk „Mic City Sons“ (1996), bei dem sich Smith gesangstechnisch schon mehr anhört wie auf seinen Soloalben, stetig in kleinen Schritten weiterentwickelt, immer wiedererkennbar und immer überaus liebenswert.
Vor der Veröffentlichung von „Mic City Sons“ hat sich die Band dann aufgelöst, unmittelbar nach der Unterschrift unter einem neuen Plattenvertrag bei Virgin Records, so will es die Legende – Smith hatte zwischenzeitlich schon mit „Roman Candle“ (1994) und „Elliott Smith“ (1995) als Solokünstler Fuß zu fassen begonnen – es hätte mich brennend interessiert, was aus dieser Band noch hätte alles werden können, hätte sie länger existiert.