Harzkrimi-Lesung in der Buchhandlung Böhnert in Goslar am 30. März 2023

Von Guido Dörheide (13.04.2023) | Fotos von Sascha Exner

Am Donnerstag, 30. März 2023, besuchte ich in Goslar mit meiner wunderbaren Liebsten in der Buchhandlung Böhnert zu Goslar eine Lesung von vier Harzkrimi-Autoren und zwei Musikanten. Bereits beim Betreten der Buchhandlung sind wir sehr beeindruckt, denn es wurde inmitten der Buchregale sehr viel Platz für sehr viel Publikum gemacht und binnen weniger Minuten füllen sich sämtliche Plätze. Auf dem Podium hatten zuvor bereits vier (4!) Autor:innen Platz genommen, die am heutigen Abend lesen werden: Barbara Merten, Corina C. Klengel, Jürgen H. Moch und Helmut Exner. Daneben hatten sich zwei Musikanten platziert, namentlich Lucky Logan und Al Cajone. Diese nutzen die letzten Minuten vor Beginn der Veranstaltung, in der das Auditorium gespannt die Eröffnung durch die Leiterin der Buchhandlung, Frau Warnecke, die noch zahlreiche organisatorische Verrichtungen zu erledigen hatte, erwartete, indem sie spontan einen „Frau-Warnecke-Blues“ intonierten und dadurch sofort sämtliche Sympathien der Zuhörenden auf ihre Seite ziehen konnten.

Derart angelockt, eröffnet Frau Warnecke sogleich die Veranstaltung und erteilt Barbara Merten das Wort. Diese stimmt durch zahlreiche Auszüge ihrer „Mordsmäßig…“-Romane um den Duderstädter (mehr zu diesem Ort später) Kommissar Schneider und seine angetraute Ehefrau Mathilde, die nicht nur südlich des Harzes, sondern auch mittendrin immer wieder in Kriminalfälle hineingezogen werden, hervorragend auf die Themen ein, die die Zuhörenden im Laufe des denkwürdigen Abends erwarten werden. Das Publikum ist bereits jetzt begeistert, Barbara Merten gelingt es ganz hervorragend, das erste Eis, so es überhaupt vorhanden gewesen sein sollte, zu brechen und neugierig auf mehr im Harz geschehene Verbrechen zu lenken.

Im Anschluss entführt Corina C. Klengel, Schriftstellerin und Gerichtsreporterin der Goslarschen Zeitung, das Auditorium in das Braunschweig der wilhelminischen Zeit. Ihr ganz wunderbarer Roman „Die Methode Whitechapel“ spielt 1889 in der Stadt, deren 1895 zu gründender Fußballverein im Jahr 1967 zum ersten und einzigen Mal den Titel des deutschen Fußballmeisters erringen sollte – die heutige Jasperallee (damals „Kaiser-Wilhelm-Straße“) ist gerade im Bau, die Burg Dankwarderode wurde in denkwürdiger Weise rekonstruiert, und in den Köpfen herrschen betonköpfige patriarchalische Denkstrukturen vor, an denen Doktor Gert Hoffmann (und wahrlich nur der) seine wahre Freude gehabt hätte. Hella, selbstbewusste, kluge und leider von allen denkbaren Seiten unterdrückte Apothekertochter vom Hagenmarkt, ist die Hauptfigur dieses spannenden und klug erzählten historischen Kriminalromans, der zudem mit zahlreichen Zeichnungen des historischen Braunschweig verziert ist – die von Corina C. Klengel gelesenen Auszüge machen neugierig auf das Buch, dessen über 500 Seiten sich locker in wenigen Tagen verschlingen lassen.

Mit 500 Seiten gibt sich Jürgen H. Moch (angekündigt von Helmut Exner mit den Worten „Das ‚H‘ in ‚Jürgen H. Moch‘ ist wichtig, um Verwechselungen zu vermeiden“ – mir als ausgewiesenem Befürworter jeglicher Form des Sparwitzes fiel zunächst das zum Pferdeschwanz gebundene Haar des Literaten auf – völlig logisch: Das Haar ist wichtig! Und nicht nur das: Im Vorwort seines Romans macht Jürgen H. Moch eine Bemerkung, die mich sehr berührt und mich in Bezug auf meine persönliche Zukunft umso mehr hoffen lässt.) nicht zufrieden, das von ihm hier vorgestellte „Harzmagie – Blutsbande“ umfasst gleich fast 700 Seiten, die zudem in Schriftgröße 5,5 bedruckt sind. Und hier verlassen wir den Pfad der reinen Harzkrimis: Moch ist eher im Bereich der Fantasy-Literatur zuhause – der erste Teil seiner „Harzmagie“-Romanreihe handelt von einem fünfzehnjährigen Mädchen mit Hexenkräften und bedient sich dabei einer Erzählweise, die die Lesenden zunächst Glauben macht, sich in einem Jugendroman zu befinden – damit hat mich bereits weiland Stephen King in „Es“, das ich in ungefähr dem Alter der Protagonistin las, in seinen Bann gezogen. Jürgen H. Moch liest die Auszüge aus „Blutsbande“ in einem lockeren, beiläufigen und sehr authentischen Tonfall, erzeugt dabei aber wohligen Grusel und macht neugierig auf alles, was die Lesenden im Verlauf des Romans noch erwartet.

Am Ende der Veranstaltung betritt dann der Altmeister des Harzkrimis die Arena: Helmut Exner, wohnhaft in Duderstadt (siehe oben – Kommissar Schneider) und gebürtig aus Lautenthal, Verlagschef und Erfinder der „Miss Marple des Oberharzes“ – Lilly Höschen. Und gleichzeitig deren begnadetster Imitator (Kann man jemanden imitieren, den man selbst erfunden hat? Exner kann, und wie!) Sobald Exner Fräulein Höschens (NIEMALS „Frau“ – sonst landet man im Wasser oder noch Schlimmeres widerfährt einem, und außerdem wird Fräulein Höschen nicht „Hös-chen“, sondern „Hö-schen“ ausgesprochen) Tonfall und Stimme nachahmt und unsterbliche Sätze wie den über den unsagbar unfähigen Doktor zum Besten gibt, der einen Bauchnabel nicht von einem Arschloch unterscheiden kann, bleibt (man verzeihe mir die abgeschmackte Redewendung) kein Auge trocken, bzw. die Zuhörenden nässen reihenweise vor Lachen ein. Es gibt bereits unzählige Romane über die große alte Dame aus der Bergstadt Lautenthal, und alle haben sie gemeinsam, dass sie abartigste Verbrechen mit grotesker Komik in Einklang bringen und unglaublich spannend sind.

Und so geht ein unglaublich unterhaltsamer Abend zuende, der immer, wenn eine/ein Autor/in mit ihrer/seiner Lesung am Ende war, durch Lucky Logan (Martin Hildebrandt aus Goslar) und den begnadeten Perkussionisten (wie der Name schon sagt) Al Cajone durch super passende Musik unterbrochen wurde. Unter anderem gab es „Riders On The Storm“ von den Doors zu hören (zu den Mordgeschichten passend wegen der Zeile „There‘s a Killer on the Road“), ebenso wie das durch Tom Jones und Alex Harvey unsterblich gemachte „Delilah“ („I felt the knife in my hand and she laughed no more“) sowie den „Kriminaltango“, aber der musikalische Höhepunkt des Abends war in meinen Ohren das auf den Harz umgedichtete „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash:

„But that train keeps rollin′ on down to St. Andreasberg.“
„But I shot a man in Wildemann, just to watch him die.“
„They’re prob’ly drinkin′ Schierker and smokin′ big cigars.“

Hammer!!!

Mein Dank für den unvergesslichen Abend gilt außer den Autor:innen und den Musikern meiner Liebsten für ebendiesen und die Tatsache, mich mit der einzigartigen Welt der Harzkrimis bekannt gemacht zu haben, sowie Sascha Exner, der sich, wie er es selbst formuliert, als der Roadie der Harzkrimilesungen um einen reibungslosen Ablauf derselben verdient macht und dem auch die Fotos des denkwürdigen Abends zu verdanken sind.

Weitere Infos gibt es auf https://harzkrimis.de