Halma – Driving By Numbers – Kapitän Platte 2024

Von Matthias Bosenick (12.06.2024)

Manche Sensationen brauchen eine Weile, bis sie zu allen durchdringen: Bei Halma handelt es sich um ein in Hamburg angesiedeltes Quartett, das bereits seit 24 Jahren existiert, anfangs sogar quasi als Nebenprojekt von Fink, und nun mit „Driving By Numbers“ sein achtes Album herausbringt. Darauf enthalten sind vier überlange Tracks – ohne Gesang, gemächlich verschleppt, mit sanften Feedbacks, auch mal jazzigem Besenschlagzeug, angeschrägt gebettet, still groovend, im Indie- oder Noiserock irgendwo zwischen Sqürl, Yo La Tengo und „Laughing Stock“ von Talk Talk zu verorten.

Die vier Tracks erfüllen keine gängigen Songstrukturen, sie sind ausufernde Assoziationsstücke, die sich entwickeln, die einem mäandernden Fluss folgen, die den Kopf ausschalten und den Körper dazu anregen, sich erst sanft, dann immer wilder in Trance zu bewegen. Los geht es mit „Phlegraean Fields“ und einer Bratzgitarre, die melodiefrei, eher solierend und Feedbacks erzeugend zu einem gebrochenen, jazzigen Rhythmus den trotz leichter Kratzigkeit wärmenden Mantel hüllt. Man ahnt, dass der Hintergrund einer harmonischen Akkordfolge verpflichtet ist, einer wunderschönen und leicht groovenden gar, denn die Gitarre macht immer wieder Platz und lässt die Tapete durchscheinen. Mark Hollis hätte bestimmt seine Freude daran gehabt. Der erste Zehnminüter also strahlt trotz seiner oberflächlichen Sperrigkeit Ruhe aus, und der zweite Zehnminüter „By The Way“ intensiviert diesen Eindruck zunächst noch. Das Schlagzeug agiert hier noch reduzierter, man hört beinahe lediglich das Hihat, Gitarre und Bass setzen auch ohne Fuzz und Melodien punktierte Akzente, erst im Verlauf entdeckt die Band, dass sie da noch einen Verzerrer und einige Effektgeräte herumzustehen hat, dann kehrt das Bratzen zurück, abermals bei unveränderten Drums.

Der „Slow Song“, 13 Minuten lang, ist mehr ersteres als zweiteres: slow ja, Song nein – ein endloses assoziatives Spiel zu einem heruntergebremsten Besenschlagzeug. Auch hier schlängeln sich gesteigerte Energien aus den introvertierten Sounds heraus, ohne zu beschleunigen oder gar Rock’n‘Roll zu generieren. Zuletzt beginnt das abermals zehnminütige Titelstück mit einem entspannten Gitarre-Bass-Korsett, das auf einen krautig-stoischen Beat im unteren Midtempo gespannt ist; es handelt sich um das noch schnellste Stück des Albums. Je länger die fließenden Riffs auf dem Rhythmus spazieren, desto mehr Energie bekommen sie, das Stück wird bei gleichbleibendem Tempo immer wilder – und bricht dann abrupt in einen stillen Ambient.

Also echt: Bereits im Jahr 2000 veröffentlichten Halma ihr Debüt „Container verloren und gesunken“, gemixt von Peta Devlin, man staune. Daran beteiligt war außerdem noch Bassist Lars Paetzelt, der auch bei Fink und Rantanplan Credits hinterließ. Von Fink brachte er die Gitarristen Andreas Voß und Thorsten Carstens mit. Als vierte ist seitdem Schlagzeugerin Fiona McKenzie dabei, die mit Voß auch die Bands Tasche und M Tzootz teilt. Nach dem Debüt wechselte Anna Bertermann an Bass und Keyboards, stieg aber 2018 wieder aus, um Gundi Voigt von Wallcrawler und Tenfold Loadstar diesen Platz zu überlassen. Dafür teilen sich Bertermann und McKenzie aktuell noch die Band House Of Zen. Gibt also eine Menge zum Reinhören – dabei wird man mit „Driving By Numbers“ gar nicht so schnell fertig, so vielschichtig, wie es ist.