Von Matthias Bosenick (20.02.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour | Der Stadtblog
Ein Film über das Hollywood der Fünfziger mit dem Humor des Hollywood der Siebziger: Das ist „Hail, Caesar!“, der neue Film der Coen-Brüder. Das Ergebnis verhält sich wie ein Coversong, den eine Band lediglich nachspielt, aber nicht interpretiert. Es fehlt das Subversive, für das man die Coens in den meisten vorherigen Filmen zu lieben lernte. „Hail, Caesar!“ ist schön bunt, hat diverse lustige Dialoge und keine richtige Handlung. Er ist zwar einigermaßen unterhaltsam, aber blutarm. Vermutlich funktioniert er wie „Birdman“ von Alejandro González Iñárritu besser, wenn man US-Amerikaner ist oder sich wahnsinnig für die Hollywood-Fassade interessiert. Wer lieber auf den Inhalt hinter der Fassade blicken will oder wenigstens einen brutalen ironischen Bruch mit dieser Fassade erwartet, wird hier enttäuscht.
Sicherlich ist das Bild, das die Coens hier vom historischen Hollywood zeichnen, auch im gegenwärtigen wiederzufinden: gefakete Ehen, Klatschreporterinnen, Drehbuchumschreibungen, untalentierte Genreschauspieler, aus monetären Gründen gefällte Entscheidungen, Eitelkeit und Oberflächlichkeit. Ja. Und? Das weiß man doch bereits seit den Fünfzigern. Für wen käuen die Coens das also wider? Für die eigene Generation, die sich wie mit einem Blick ins Fotoalbum an früher erinnern will? Für die jungen Leute, die das noch nicht wissen, quasi als Bildungsfilm? Für die vergessliche Masse, die sich aufgrund ihres miserablen Kurzzeitgedächtnisses gern an Altbekanntem berauscht? Für den Trainspotter, der die vielen wie nebenbei untergebrachten Hollywood-Stars im Gewimmel des Films entdecken will? Für ein ausreichend unterhaltsames Predigen vor Bekehrten reichen die zusätzlichen Anteile in diesem Film jedenfalls nicht aus. Leider.
Der Film besteht aus zwei Komponenten: einer Grundhandlung und diversen episodenhaften Einblicken in das klassische Filmprogramm der Fünfziger. Weil letztere Anteile recht groß sind, reicht es jedoch für keine fesselnde Story. Man sieht also Western, Wasserrevue, Matrosenstepptanz, Liebesdrama und Historienfilm; diese Sequenzen tragen fast nichts zur Handlung bei uns sind genau so brav inszeniert, wie es die Fünfziger auch waren. Viele Filme dieser Arten waren schon im Original unguckbar, das macht sie in „Hail, Caesar!“ nicht attraktiver. Es ist natürlich schwierig, als Regisseure authentisch sein zu wollen und gleichzeitig entlarvend; das versuchten die Coens, indem sie ihre Schauspieler nach dem „Cut!“-Ruf ein paar ulkige Sachen sagen lassen. Das konterkariert das Brave davor jedoch nicht, sondern zündet nur in dem Moment; zudem kann man sich denken, dass Schauspieler so sind, wie sie hier dargestellt werden, und wird nur wenig davon überrascht.
Ach ja, die Handlung: Eddie Mannix ist, angelehnt an eine real existierende Person, ein Produzent in den Capitol Studios in Hollywood, der als Troubleshooter alle möglichen Troubles shootet. Eines davon ist das Verschwinden des Top-Stars Baird Whitlock, der mitten im Dreh des titelgebenden Films „Hail, Caesar!“ von kommunistischen Drehbuchautoren entführt wird, um ausbleibende Tantiemen zu erpressen. Parallel versorgt Mannix ambitionierte Regisseure mit alternativen Hauptdarstellern, organisiert das öffentliche Bild schwangerer Schauspielerinnen, schlägt sich mit Klatschkolumnistinnen herum und bekommt ein unmoralisches Angebot von einer Luftfahrtfirma, die ihn abwerben will. Alles rüttelt sich letztlich irgendwie und der Kommunismus lässt sich mit ein paar Ohrfeigen austreiben. Fertig.
Manche Dialoge sind sehr witzig, manche Szenen überraschend. Wie Brad Pitt in „Burn After Reading“ spielt George Clooney hier einen beeinflussbaren Schauspieler, der zwar immer noch aussieht wie der apostrophierte Frauenschwarm George Clooney, aber längst nicht so helle ist; ein hübscher Bruch, mehr nicht. Viel interessanter ist der dümmliche Westernstar Hobie Doyle (Alden Ehrenreich), der in einer Liebesschnulze versagt, aber bei einem arrangierten Rendezvous seine Wartezeit mit Lassotricks überbrückt: „Deshalb bestelle ich sie immer ohne Fleischsauce.“ Hobie Doyle wäre als breiter angelegte Hauptfigur ein Gewinn für den ganzen Film gewesen, hier zeigen die Coens ihre ganze inszenatorische Pracht. Überraschend ist auch die Szene mit Frances McDormand als dauerqualmende Cutterin, die bei einer Vorführung der Dailies mit ihrem Halstuch in den Projektor gerät. Die unbeeindruckte Putzfrau im Kommunistenversteck ist auch noch fein. Der Rest des Guten basiert auf Dialogen, der Rest des Films ist manierlich und brav. Man erinnert sich schon bald nicht mehr daran und wendet sich anderen Dingen zu.
„Inside Llewin Davis“, der vorherige Coen-Film, war auch schon nur so mittelmäßig, davor drehten sie mit „True Grit“ ein lediglich, aber immerhin solides Remake eines Westerns. Die drei Filme davor, „A Serious Man“, „Burn After Reading“ und „No Country For Old Man“, waren durch die Bank großartig – und machten die vorhergehende kurze Phase zweier überflüssiger Filme wett, das „Ladykillers“-Remake und „Ein (un)möglicher Härtefall“. Bis dahin hatten die Coens keinen einzigen schlechten Film gedreht. Bleibt also abzuwarten, wie es jetzt weitergeht. Sicher ist: Das Mittelmaß steht ihnen nicht. So ist „Hail, Caesar!“ trotz unterhaltsamer Momente eine Enttäuschung.