Von Guido Dörheide (29.02.2024)
Grandaddy aus Kalifornien mag ich, schließlich sind sie Urheber des Lieblingssongs aller in der Luftfahrt Beschäftigten (mit Ausnahme der Luftfahrzeugführenden): „He’s simple, he’s dumb, he’s the pilot“.
Grandaddys Masterbrain Jason Lytle ist nie verlegen um grandiose Songtitel, das Sammelsurium vergangener Großtaten wie „El Caminos In The West“, „It Was A Silent Night At Least Until Jeff Lynne Arrived“ oder „Broken Household Appliance National Forest“ wird auf dem neuen, „Blu Wav“ betitelten Werk um Titel wie „You’re Going To Be Fine And I’m Going To Hell“ (ein Lied, das von Lytles Ehescheidung handelt), „Yeehaw AI In The Year 2025“ oder „Let’s Put That Pinto On The Moon“ ergänzt.
Ich muss zugeben, dass es mich überrascht hat, als ich von einem neuen Grandaddy-Album erfuhr. Denn das letzte liegt nun schon 7 Jahre zurück („Last Place“ aus dem Jahr 2017, kurze Zeit nach der Veröffentlichung verstarb Bassist Kevin Garcia in Folge eines Schlaganfalls), und die unkopierbaren Großtaten „The Sophtware Slump“ und „Sumday“ datieren bereits von 2000 bzw. 2003. In den letzten Jahren veröffentlichten Grandaddy dann noch „Sophtware Slump… On A Wooden Piano“, auf dem Songs von Sophtware Slump auf einem hölzernen Piano dargeboten wurden, „In A Trance And Wandering Around“, das in eine ähnliche Kerbe haute und alte Songs in neuem, reduzierten Gewand enthielt, sowie „Sumday: Excess Baggage“ mit wunderschönen Songs aus der „Sumday“-Ära, hier dann auch mal wieder mit Schmackes und vollständiger Instrumentierung versehen.
Und nun also 13 komplett neue Songs. Das kann ja was werden. Und ja, das wurde es, wenngleich auch das neue Album bei mir mehrere Durchläufe brauchte, um ähnlich zu zünden wie die Vorgenannten.
Dass liegt vor allem daran, dass „Blu Wav“ (bewusst eingesetzte Lapsusse beim Umgang mit der Orthographie sind quasi dem Trademark von Jason Lytle) ein sehr ruhiges und spärlich instrumentiertes Album ist und auch beim ersten oder zweiten Hören keinen Song mit Ohrwurmcharakter offenbart, zumindest empfand ich es so.
Irgendwann kommt „Blu Wav“ dann allerdings um die Ecke wie die sprichwörtlichen Kreuzberger Nächte:
Mit dem Titelsong fängt es erstmal ganz langsam und klavierlastig an, geht dann fließend in „Cabin In My Mind“ über, das allerdings gleich ab Sekunde 1 mit einer Slidegitarre glänzt und somit ein authentisches Landmusikgefühl verbreitet, und Jason Lytle haucht seine Lyrics mit soviel Gefühl auf das Tonband, dass ich bereits ab hier das Album fortan nicht mehr missen möchte. Damals bei „Automatic For The People“ von R.E.M. dachte ich, ein ruhiges Album was für 1 Scheiß und mag es bis heute nicht so recht, aber jetzt hier bei Grandaddy bin ich ja auch schon ein wenig älter und ruhiger und denke „Ja! Verdammt.“
Und die Slidegitarre zieht sich dann weiter durch dass Album hindurch und sie gefällt mir a) gut und b) harmoniert sie in ganz hervorragender Art und Weise mit Lytles Gesang. Das Album enthält keine Ohrwürmer über Piloten, kaputte Haushaltsgeräte oder Chevys mit offener Ladefläche anstelle von Rücksitzen, funktioniert aber als Gesamtwerk mehr als verdammt gut. Hervorheben und auf ein Podest stellen möchte ich an dieser Stelle noch das vor dem Rausschmeißer „Blu Wav Buh Bye“ platzierte „Nothin’ To Lose“: Auch hier wieder die schöne Slidegitarre, kombiniert mit Lytles bester gesanglichen Leistung – die Stimme bleibt leise und sanft und steigert sich dennoch irgendwie nach und nach in irgendein hymnisches Tun hinein und der Refrain ist einfach nur großartig: „And credits roll over it all / Those summer nights / And pleasant skies / We wore it out / And I don’t know how / But I’m going down / With nothin‘ to lose.“
Willkommen zurück, Grandaddy.