Von Matthias Bosenick (07.05.2025)
Ach, ist das schön, wenn – ähm – junge Bands und Musizierende auf Konventionen scheißen. Gliitch aus Bordeaux machen Noiserock, und selbst den machen sie unkonventionell. Lärm schwingt den Hörenden des selbsterklärend betitelten Debütalbums „A Fire Inside“ als erstes und als letztes entgegen, dazwischen variiert das Trio die Intensität und die sonstigen Zutaten. Der Geist von Steve Albini weht über den Wassern, und Bands wie die Bordelaiser Gliitch lassen die Hoffnung aufkommen, dass ein Noiserock-Leben mit dessen Tod nicht beendet ist.
Im Noiserock beschränkt man sich nicht auf die gewohnten Songstrukturen, und so verfahren auch Gliitch. Rhythmus, Riffs und Fuzz bestimmen die Songs, eine gewisse Schwere und ein mächtiger Druck lasten auf ihnen, aber keine Metal-Härte. Melodien finden statt – aber nach eigenen Regeln: minimalistisch, repetitiv, trotzdem in sich harmonisch, insbesondere im weiblich-männlichen Duettgesang. Während Wiederholung im Noiserock ohnehin eine wichtige Rolle spielt, weil sie für eine spezielle Dynamik sorgt.
Aus Gliitch dringt eine unbändige Energie, die das Trio in drängenden Lärm überträgt. Die drei sägen die Songs in die Gehirne, und die Gehirne wollen diese Songs auch in sich haben. Musik wie diese kann ja auch eine Reaktion auf Umstände sein, die der Welt allgemein und die inneren eigenen speziell, und dann ist man froh, wenn es jemand fertigbekommt, die Gemütslage treffend herauszubrüllen.
Dabei sind Gliitch nicht destruktiv. Sie erschaffen etwas, jedes der acht Stücke hat seine eigene Ausprägung, und noch wichtiger: seine eigenen vom schieren Noiserock abweichenden Details. Die auf Wiederholung fußende Auf-die-Fresse-Attitüde ist dabei eine selbstredend wiederkehrende Grundlage, auf der Gliitch Experimente zulassen. In „Tantrum“ etwa singen Manu und Eva im Duett, während sie auf der Gitarre gerade mal ein minimalistisches Schrammeln generieren. Neben Shellack – also Steve Albini – führen Gliitch Sonic Youth als Inspiration an, und das lässt sich in Songs wie „John Doe“ und „Say Goodbye“ heraushören, wenn der Lärmpegel zurücktritt und atemlose Duett-Gesangs-Passagen zu schräg verfrickelten Gitarren erklingen. Es gibt zudem Situationen, in denen die Kombination aus dem energetisch herausgepressten Gesang und der druckvollen Musik an Sleepytime Gorilla Museum erinnert. Der Rauswerfer „Matt C. (Last Walk In The Marsh)“ besteht aus einer verzerrten Erzählstimme zu neofolkiger Akustikgitarre mit verschlepptem Rhythmus, also sogar keinem Bisschen Noiserock mehr.
Dieses Trio hat wahrhaftig „A Fire Inside“ und ist dazu in der Lage, dieses Feuer auch nach außen zu tragen und damit andere anzustecken. Die beiden vor einem Jahr veröffentlichten Vorboten „Dark Dancer“ und „Rock On“ sind in den Fluss des Albums integriert, und es ist erfreulich, dass die Band ankündigte, im Winter vier neue Songs aufnehmen zu wollen und nun derer sechs präsentiert. So darf es gern weitergehen. Die Band besteht aus Manu Drg, Eva Mad und Schlagzeuger Laurent Langlade, Nebenschauplätze sind Dr. Gonzo und DONE.