Von Matthias Bosenick (08.08.2022)
Das Album atmet langsam, aber es klingt angenehm ungesund: „Echo:One“ ist das Debüt der frisch gegründeten belgischen Stoner-Doom-Band mit dem vergnüglichen Namen Ghost:Whale. Mit der Eigenschubladisierung nimmt es das Brüsseler Trio nicht so genau, das macht die Musik so interessant; mit einem Schlagzeug und zwei Bässen, also ohne Gitarren, ist die Kategorisierung auch nicht so einfach, und viele der Einflüsse auf diesem Album resultieren aus dem, was einige der Musiker mit ihren vorherigen Bands so trieben: Industrial, Punk, Sludge – und Noise. Wer in seinem trocken verfuzzten Gemalme ein Saxophon unterbringt, stößt sowieso auf offene Ohren. Monotonie, Wiederholung, Geräusche – ein Tiefenrausch!
Melodien sollte man auf diesem einstündigen Album nicht erwarten. Die fünf Tracks malmen vor sich hin, stoisch, unbeirrt, ungebremst, und doch variantenreich. Wie Atem, entspannt, aber nicht bei bester Gesundheit, rasselnd, schleppend. Es kommt eben darauf an, wann welcher der Musiker mit dem Musizieren aussetzt oder wo er Breaks und Fills setzt, oder auch: Wo die Band – wie im letzten Track – das Tempo doch mal anzieht, nachdem sie sich ewig im Schlenderschritt bewegte. Nach vorn, das auf jeden Fall, die Bewegung ist schon ausgerichtet, nicht orientierungslos. Und die Musik ist staubtrocken, die Bässe fuzzy verzerrt, tief gestimmt, aber nicht heavy gespielt, und das Schlagzeug auf repetetive Dynamik ausgelegt, gelegentliche rhythmisch eingesetzte Samples sowie auf den Saiteninstrumenten erzeugte flirrende Sounds erweitern das Spektrum. Can trifft milde Swans trifft Leute aus der kalifornischen Wüste, und es erstaunt, was auf diesem vermeintlich minimalistischen Album so alles los ist. Eine verspielte Bande, diese Band.
Daher passt der Doom als Genrebezeichnung auch nicht wirklich ins Bild: Die Musik ist, dem Einsatz zweier Bässe und keiner Gitarre geschuldet, rauh, aber nicht hart. So erinnert es zwar schon an die Genueser Mope, wenn im nach der Brüsseler Band benannten halbstündigen Track plötzlich ein Saxophon ertönt, aber Mope sind wesentlich härter und tatsächlich näher am Doom, am Metal überhaupt. Auch Morphine taugen als Band mit Bassdominanz und Saxophon nur marginal als Vergleich, die haben einen anderen Groove und überhaupt Songstruktur. Hier greift das Saxophon beinahe den Walgesang auf, bevor es zu quieken beginnt, und diese musikalische Analogie zum Bandnamen lässt den Kiffer noch breiter grinsen.
Wobei der Bandname unterschiedliche Interpretationen zulässt. Er könnte – nicht zuletzt dem Cover entsprechend – angelehnt sein an Bake-kujira, einen skelettierten Wal der japanischen Mythologie, der sich nicht fangen lässt und der als Unglücksbote auftritt. Es könnte sich auch um eine Roboter-Figur aus dem Universum von Sonic The Hedgehog handeln, einen riesigen Wal, dessen Herz man viermal zerstören muss und sich auf dem Weg dahin in dessen Inneren von Raketen beschossen sieht, logisch. Der Londoner Craft-Beer-Shop hingegen kommt als Referenz eher weniger in Frage. Womöglich ist es schlichtweg die von Dr. Salvatore Cerchio entdeckte und von ihm so benannte Walart Ghost Whale, die hier Pate stand – schließlich ging diese Entdeckung der Bandgründung nur weniger Monate voraus, und schön spooky ist der Name ja.
Diese Bandgründung fand 2021 mitten in der Pandemie statt. Zur Grundausstattung gehören die beiden Bassisten Lionel Beyet (P.O.G.O.-Labelchef sowie von Industrial-, Noise- und Punk-Bands wie Missiles Of October, [P.U.T], Monsters Eaters und No Hope For All) und Yves Vranckx (von dem Punk’n’Roll-Projekt mit dem an Mel Brooks‘ „Frankenstein Junior“ angelehnten Namen Frau Blücher And The Drünken Horses, wo er konsequenterweise Vränckx heißt) und der Schlagzeuger Vincent Desantos, das Saxophon streut Bruno Nono ein. Das Album kommt übrigens auf diversen Labels in unterschiedlichen physischen Editionen heraus. Und es lohn sich!