Ghost:Whale – Dive:Two – P.O.G.O./Bitume 2024

Von Matthias Bosenick (30.09.2024)

Dieser Geisterwal verbindet auf seinem zweiten Album Dub und Doom. So geht das: Wenn es alles bereits gibt, einfach einiges davon neu kombinieren. Aber Vorsicht, die Musik hier klingt nicht wie das, was man sich unter der Kombi aus den zwei genannten Stilen vorstellt – sondern eher wie Industrial. „Dive:Two“ von den Brüsseler Doppelpunkt:Liebhabern Ghost:Whale ist außerdem gleich ein Doppel-Album geworden, ohne Punkt, aber mit instrumentalem Doom, den er zum Ende der ersten CD und besonders ausgeprägt auf der zweiten ordentlich toastet und stampft. Gesang braucht der Sound tatsächlich nicht, die endlos ausufernden Tracks – mit zwei Bässen und ohne Gitarre übrigens – sind abwechslungsreich genug, um damit zu fesseln, obschon Walgesang eine interessante Ergänzung wäre. Vielleicht auf dem dritten Album?

Eine Art Walgesang tritt im Opener „Under Pressure“ dennoch auf, ein gesampelter choartiger Aufschrei, ein Stöhnen, ein Ächzen, das immer mal wieder in den dichten Gitarrensound eindringt. Schon hier belegt das Trio, dass Doom nicht sein alleiniges Steckenpferd ist: Nachdem sich der Track eine Weile lang genregemäß dahinschleppt, lässt er dem Meeressäuger bald freien Lauf und poltert los wie im Punk, im Metal beinahe. Die kurzen Loop-Passagen des Genres gehören auch in die Tracks, doch mit Abweichungen solcher Art und eingebauten Samples lässt die Band nicht den Eindruck von Wiederholung aufkommen. Für „Le danse de socières“ etwa bindet sie eine Art Glockenspiel in den Loop ein, bevor der Track verstonert weitermostet. Und zwar so richtig.

Der Sound ist dominiert von fuzzy Bass, sägendem Gitarrensubsitut-Bass und fetten Drums, genau so, wie man es mag. Dunkel, dreckig, schlechtgelaunt, repetitiv, hypnotisch, aggressiv, Hardcore-Trance, mit etwas Stille oder Sprachsamples zwischen den überlangen Tracks. Man wähnt sich halbwegs sicher in einem vertrauten, mostenden, wütenden, holprigen Basslärm, bis dann plötzlich in „Eye Of The Storm“, dem letzten Track der A-CD, in den rauschenden Ambient-Drone leichte Electro-Synthie-Melodien einfließen. Diese trancige Synthiesequenz bleibt fortwährend gleich, ändert lediglich ihre Intensität und begleitet, was da so im Hintergrund geschieht, nämlich, dass die analogen Instrumente einen dezenten Lärm veranstalten, frei von jedem Rhythmus, strukturiert lediglich von der Synthie-Wiederholung. Der Track erinnert streckenweise an manche Remixe, die Youth gern für Killing Joke anfertigt. Die Band nimmt sich die Freiheit heraus, den Track 21 Minuten lang in dieser Darreichungsform zu belassen – quasi als noisigen Übergang von der Bandmusik zum Doom-Dub.

Doch auch auf der zweiten CD führen Ghost:Whale die Erwartenden in die Irre: Der erste der drei schlicht „dub:whale“ betitelten Tracks beginnt wie die Tracks auf CD 1, also regulär doomsludgestonerrockend. Allerdings liegen hier bald Echos auf Instrumenten, die ansonsten ohne Echo auszukommen haben, zumeist, weil sei ihre Beiträge von sich aus schon wiederholend einbringen – der Dub hält also Einzug. Jedoch anders, als man es erwartet hätte: Die Tracks werden mitnichten elektronisch, sie bleiben im weitesten Sinne Rockmusik, lediglich manche Effekte sind dem Dub entnommen. So könnte es ewig weitergehen, und gefühlt tut’s dies auch, schlägt sich noch in Richtung monotonem Industrial, wie man ihn etwa von den frühen Swans oder von Human Impact kennt.

Die Band Ghost:Whale besteht aus: Bassist, P.O.G.O.-Records-Gründer und Illustrator Lionel Beyet aus Frankreich, mit zweien seiner Brüder und einem Bonusmusiker seit 1998 als Industrial-Noise-Projekt [P.U.T] aktiv und bei den Sludge-Punks Missilies Of October sowie ehedem unter den Aliassen Monsters Eaters und No Hope For All. Zweiter Bassist ist Yves Vranckx, hauptberuflich bei den Punk’n’Rollern mit dem vortrefflichen Namen Frau Blücher And The Drünken Horses, gern mit wechselnden Umlauten. Am Schlagzeug sitzt Vincent de Santos, manchmal auch DeSantos oder Desantos, und mehr ist über ihn nicht so einfach herauszufinden. Zwar sind die Samples auch die Aufgabe der beiden Bassisten, doch mischt sich Lionels bei [P.U.T] ausgeborgter Bruder Loïc Beyet als Garlic.lab unter die Effektmanager, insbesondere auf der zweiten CD.

Neben P.O.G.O. (Belgien, Frankreich) und Bitume Prods (Frankreich) kümmern sich folgende Labels um die Verbreitung: Collector’s Series DIY Rec (Spanien), Forbidden Places (USA), Romantic Songs Recordings (Spanien), Syrup Moose Records (Kanada) und Urgence Disk (Schweiz). Zudem ist vorgesehen, das Album im Januar auf Vinyl herauszubringen, „with differents songs version“, was auch immer das dann für den Sammler heißen mag. Den Download gibt’s bei Bandcamp wie immer für frei.