Von Guido Dörheide (22.05.2023)
Kann man zu „Jesus He Knows Me“ headbangen? Abgesehen davon, dass Phil Collins eh eins meiner Guilty Pleasures ist (obwohl ich nach „Invisible Touch“ bei Genesis ausgestiegen bin und danach nur noch Collins solo gehört habe, jahaaaa! Minutenlange Schlagzeugsoli als Konzerteinstieg… äääh, Moment, ich schweife ab) – ja verdammt, das geht voll gut! Ghost (ein weiteres meiner Guilty Pleasures) haben das Stück auf ihrer neuen EP „Phantomime“ (so habe ich das als Kind auch versehentlich immer geschrieben) gecovert, und obwohl sie es sehr nah am Original beließen, geht es direkt in die Nackenmuskulatur (äääh, ich glaube, wegen eben dieses Effektes überlässt Phil C. das Schlagzeugspielen inzwischen seinem Sohn?).
Aber nun mal von Anfang an: Ghost verkürzen uns die Vorfreude auf das nächste Album (den Nachfolger von „Impera“, dem bislang allerbesten Ghost-Album) mit einer EP mit fünf Coverversionen von Stücken, wie sie liebevoller nicht ausgewählt sein können:
Den Anfang macht „See No Evil“ von Television, deren Sänger Tom Verlaine jüngst verstarb und der hier jetzt ein würdevolles Denkmal gesetzt bekommt. Die Coverversion ist nah genug dran am Original und dennoch Ghost-typisch genug, um als typisches Ghost-Stück wahrgenommen werden zu können. Dann folgt der oben besungene Neckbreaker aus dem Hause Collins and Banks and Rutherford. Wat schöön! Im Anschluss covern die Nameless Ghouls um den charismatischen, leider bereits mehrfach verstorbenen Frontzombie (wie nennt sich Tobias Forge dieses Mal? Ah – Papa Emeritus IV, wie auf „Impera“) „Hanging Around“ von den Stranglers – auch das wieder leicht metallastig, aber mit einer wirklich schönen Stranglers-Orgel, und das Gitarrensolo im letzten Drittel des Stücks ist sehr hervorragend vintage-mäßig gelungen.
Bislang handelt es sich nicht um Original-Metal-Material, dem Ghost einen wahrhaft authentischen metallischen Anstrich verpassen, aber bei Song Nr. 4 geht es dann los: Emeritus und die Ghouls vergreifen sich an nichts Geringerem als „Phantom Of The Opera“ – also einem der allerbesten Stücke, die Iron Maiden mit ihrem ersten Sänger Paul Di‘Anno aufgenommen haben. Daran. Kann. Man. Nur. Scheitern. Es sei denn, man heißt Bruce Dickinson und hat Di‘Annos ehemalige Bandkumpels von Iron Maiden bei sich. Und Ghost? Schlagen sich wacker und performen den Maiden-Klassiker ohne Fehl und Tadel. Er erhält durch das Vonghostgecovertwerden sogar den ghosttypisch-okkulten und dennoch Abbalastigen Anstrich, den wir alle an Ghost so lieben, instrumententechnisch gibt es nichts zu meckern und ich denke, auch die Herren Harris und Murray sind mit der Ghost-Version im Gegensatz zu Di‘Anno, der sich im Netz wie gewohnt reflektiert äußerte, apselut OK.
Nach 7 Minuten und 23 Sekunden schöönster Neuer Welle des britischen Heavy Metals könnte es jetzt noch ein paar Minuten so weitergehen – aber was machen Ghost? Die gehen bei und nehmen sich „We Don‘t Need Another Hero“ von Tina Turner vor. Daran. Kann. Man. Nur. Scheitern. Echt? Nein, Forge nicht. Er ist gesangstechnisch kein Dickinson, kein Dio, keine Anna Mae Bullock, aber er hat ein todsicheres Gespür für alles, was man tun muss, um aus egal welchem Lied etwas Unverwechselbares und unmittelbar Liebenswertes zu machen. Am Ende der knapp 24 Minuten von „Phantomime“ stehe ich mit einer Zucchina vor dem Mund im Trainingsanzug auf dem Küchentisch, schreie vollkommen enthemmt nach einer/einem neuen Heldin/Helden (m/w/d) und wünsche mir ein Duett von Papa Emeritus IV und Tina Turner. Und jetzt alle raus an die frische Luft. Mairegen macht schön!