Von Matthias Bosenick (13.05.2024)
Ja, Philosophie kann ein schweres Thema sein, und das hört man der Musik von Fretting Obscurity auch an: Unter diesem Alias generiert Yaroslav Yakos aus Kiew seit 2018 einen schwer schleppenden Funeral Doom, mit „Das unglückliche Bewußtsein“ zum zweiten Mal in Albumform. Auf nur vier Tracks in 50 Minuten kommt der Solist, sein Metronom verreckt auf halber Strecke, die Halsbonbons versagen ihre Wirkung, die von Kant-Kind Yakos thematisierten griechischen und deutschen Philosophen rotieren gemächlich im Grabe, und inmitten der Todeswalzen wagt der Multiinstrumentalist einige bemerkenswerte Ausfallschritte, denn Melodien und Atmosphären beherrscht der Mann ebenfalls. Eine etwas fettere Produktion indes stünde diesem Album gut.
Yakos hat alle Zeit der Welt. Gemächlich schlägt er seine Gitarre an und gniedelt auf ihr herum, bisweilen legt er zwei Spuren nach Art der Twin Guitars nebeneinander, zumeist verlegt er sich auf so etwas wie Riffs, die langgedehnt wie Nebelhörner in der Dunkelheit den Weg weisen. Das passt zu den Inhalten, schließlich befasst sich Yakos laut Info mit „the tragic worldview of Pre-Socratic and classical German philosophy“, was den Titel „Das unglückliche Bewusstsein“ ganz gut erklärt. Mit dem Schlagzeug begleitet er in einer sehr verringerten Taktzahl seine Riffs und seine ausgedehnt grunzend vorgetragenen Inhalte. Der Sound seines Drumkits indes ist etwas pappig, dazu fehlt es an Bass, das lässt das Album insgesamt etwas dünn wirken.
Schwierig auszuhalten ist zudem, dass Yakos bisweilen über lange Strecken auf einer Idee verharrt und sie lang ausreitet. Das mag im Sinne des Genres korrekt sein, dann ist dies jedoch nicht eben eine Empfehlung, so etwas wie Funeral Doom tagelang laufen zu lassen. Zweierlei spricht dagegen: Es gibt Alternativen mit anderer Ausprägung und Yakos selbst ist durchaus dazu in der Lage, seine eigene Musik aufzulockern. Mitten in „Das Heilige“ etwa lässt er die Maschinen stoppen und Wölfe heulen, in „To Burn Insatiably“ beginnt er plötzlich, wie im Black Metal loszubrettern, und „Das Schaudern“ startet er beinahe bluesig, mit klarer Gitarre und einnehmender Atmosphäre. Solche Einschübe genehmigt sich Yakos, doch dürften es durchaus mehr sein.
Yakos‘ Debüt „Flags In The Dust“, ebenfalls mit vier Tracks auf fast einer Stunde Spielzeit, erschien 2018 noch beim russischen Doom-Label Endless Winter. Warum er seine Arbeit mit Fretting Obscurity dort nicht fortsetzen kann, bleibt offen – es gibt gottlob hinreichend Beispiele dafür, dass sich unabhängige Musikbegeisterte auf beiden Seiten der Grenze auch trotz des Krieges nicht voneinander trennen lassen. Vielleicht hat es ja andere Gründe, dass Yakos jetzt in Frankreich gelandet ist.