Free Selection – Seasons Of Emotions (Chapter One: Four The Seasons) – Sireena Records 2025

Von Matthias Bosenick (05.11.2025)

Auf dem Album mit dem progressiven Titel „Seasons Of Emotions (Chapter One: Four The Seasons)“ bündeln die Progressivpoprocker Free Selection aus Ludwigshafen das Material, das sie seit ihrer Gründung vor fünf Jahren zusammentrugen, zu einem Konzeptalbum, wie es sich für dieses Genre gehört. Heißt also: Acht Songs, die den Auftakt zu einer Reihe bilden und selbst eine Narration ergeben, verschachtelt dargereicht vermittels allem, was man so finden kann, von Art Rock über Prog Rock und Ballade bis Disco, Hard Rock, Klassik und Flamenco, mit ausgeprägtem Synthie-Anteil und weiblichem Gesang. Ambitioniert, sagt man dann wohl.

Das ist schon paradox: Einerseits entzieht sich das Quartett einer genauen Genrezuordnung, indem es viele Schubladen gleichzeitig bedient, andererseits begibt es sich damit in die Schublade genau solcher Bands, denn die sind gar nicht so selten, und das auch nicht erst seit neulich. Als Käseglocke fungieren hier Art Rock und Prog Rock, darunter finden sich Pop, Rock, Klassik und andere Haupt- bis Subgenres. Mit den Synthies, die teilweise recht dominant die Songs begleiten, dringt der Pop-Anteil in den Mittelpunkt; an mancher Stelle integriert die Band das Keyboard wie weiland Faith No More in den Rock. Dann und wann darf die Gitarre mit heavy Licks aufwarten, dass es eine Freude ist.

Als Bauteile bringen Free Selection – ein Auswahlwerkzeug bei Gimp – etwa die Struktur von Klassik ein, dargereicht mit Rockinstrumenten, oder die Polyrhythmik von Genesis oder Marillion, etwa in „Care“, Disco-Rhythmik und Flamenco-Gitarre wie in „Jealous“ oder Abba-Harmonien wie in „Summer Rain“ oder „Crystal Dreams“. An diesen Stellen kommt eines ans Licht: Der Gesang ist dann am besten, wenn er in tieferen Lagen gehalten ist, den höheren ist er nicht durchgehend gewachsen. Wie zur Bestätigung baut die Sängerin gelegentlich angenehme Spoken-Word-Passagen in die Tracks ein.

Es gibt einige weitere Genre-Charakteristika, an die sich die Band hält: Zwei der acht Songs sind über zehn Minuten lang, „Summer Rain“ 12:20, „Care“ gleich mal 17:26, lediglich der Rauswerfer „Home“ liegt unter fünf Minuten. Gleich an die zweite Position stellt die Band mit „Big City“ eine Ballade und nimmt damit die Wucht und die Intensität des Opener sofort zurück. Was die Band indes vermeidet: ausuferndes Gegniedel. Zwar darf die Gitarre solieren, aber mit gestutzten Flügeln, und das ist auch gut so. Dennoch hat das Album das Zeug zum Plätten, weil es von allem etwas will und daraus etwas zu viel macht; das Wort „Kitsch“ schleicht sich an mancher Stelle vorsichtig ins Bewusstsein.

Vier Leute hoben Free Selection 2020 in Ludwigshafen aus der Taufe: Sängerin Julia Klingler, Gitarrist und Keyboarder Marco Nau, Bassist Andrey Kelim und Schlagzeuger Christian Jotter. Wenn dieses das erste Kapitel der „Seasons Of Emotions“ ist, steht damit ja die Ankündigung einer Fortführung auf der Agenda. Ein ambitioniertes Vorhaben!