Von Guido Dörheide (11.07.2023)
Mit Anfang 20 hatte ich mir vorgenommen, mich mit Jazz zu beschäftigen. Miles Davis war tot und ich hielt ihn für ein Arschloch, von Weather Report hatte ich noch nie gehört und – ganz ehrlich – von allen anderen Jazz-Musikern mit Ausnahme der Monday Evening Stompers, bei denen mein früherer Schulleiter spielte, auch noch nicht. Jazz war für mich Dixieland, und um meinen Horizont zu erweitern (und weil es mich irgendwie beeindruckt hatte, dass Robert Wyatt betrunken aus dem Fenster gefallen und seitdem querschnittsgelähmt ist, was ihn nicht davon abhielt, solo und mit Matching Mole diverse Klassiker rauszuhauen), begann ich mich mit Soft Machine zu beschäftigen, die mir erstmal knapp 30 Jahre lang zu sperrig erschienen, bis ich sie endlich ins Herz schloss.
Um Zappa (den meine Zeitgenossen konsequent „Zappa“ aussprechen) habe ich eh immer einen Bogen gemacht. Zu versponnen, der Typ, obwohl „Bobby Brown Goes Down“ schon immer toll war, bevor ich die 20 erreichte und mir später auch von der Aussage her den Zappa recht sympathisch machte.
Dann wurde ich älter. Irgendwann ging es nicht mehr, mich dem ollen Zappa komplett zu verwehren, und ich erinnerte mich an die Rezension zu „Guitar“, die seinerzeit in der BRAVO (nein, ehrlich, ohne Scheiß, die Bravo hat tatsächlich „Guitar“ rezensiert, und das sehr wohlwollend) erschien und der ich mich erst widmete, als ich erfuhr, dass diesem Werk drei Langspielplatten mit den Titeln „Shut Up ‘n Play Yer Guitar“, „Shut Up ‘n Play Yer Guitar Some More“ und „Return Of The Son Of Shut Up ‘n Play Yer Guitar“ vorangegangen waren. Mit der spanischen Inquisition hätte ich nicht gerechnet und aufgrund der Beschreibung von „Guitar“ in der BRAVO dachte ich, dass diese Tonträger Musik enthielten, die mir nie im Leben gefallen könnte.
Über 30 Jahre später habe ich mir „Guitar“ zum ersten Mal angehört, vorher vieles andere von Zappa, und seitdem bin ich überaus begeistert. Und nun erscheint also „Funky Nothingness“, dreieinhalb Stunden Jazz-Rock, und Zappa selber konnte nichts daran ändern, dass das Teil in dieser Länge erschien, weil er ja nun mal schon 1993 abgeritten ist zu den Ahnen. Ist das jetzt also komplett balla-balla mit dieser Spielzeit und ist „Funky Nothingness“ nur eine „Zappa ist tot und wir verkaufen ihn ihm seine Geschichte“-Geschichte?
Ich zumindest gehe her und sage „Nein!“ Ist es nicht. Die Aufnahmen stammen wohl aus dem Jahr 1970 und wurden – warum auch immer – nie veröffentlicht. Gesang findet sich nur wenig in dieser Sammlung, und wenn, dann stört er nicht. Was mir im Ohr hängenbleibt, sind Orgeln und Gitarren, und beides nicht zu knapp. Und hier versuche ich, diese Rezension mal an ihren Anfang zurückzuführen:
Wenn Sie, werteste/r Rezensent/in (m/w/d), nicht „Scheiße!!!“ schreien, sobald eine Orgel ertönt, so Sie nicht Gesang in jedem Stück erwarten und so sie es einem der größten Gitarrenvirtuosen des 20. Jahrhunderts großzügig nachsehen, auf eben diesem Instrument herumzugniedeln, als müssten wir es unbedingt kaputtmachen (und gäbe es kein Morgen!), und wenn Sie dann noch etwas für den Blues übrighaben, dann sind Sie bei „Funky Nothingness“ goldrichtig. Ich für meinen Teil kann mich an dem Teil nicht so recht satthören und nehme es als einen weiteren Beweis, dass an der monotheistischen Gottestheorie nichts dran sein kann. Ich möchte zumindest nicht, dass Miles Davis, Lemmy Kilmister, Mark E. Smith und Frank Zappa das unter sich ausmachen müssen und damit der Erde, wie wir sie kennen, ein schmerzhaftes Ende setzen.