Von Matthias Bosenick (02.04.2019)
In, nicht aus: Frank Schäfer kompiliert bereits in Magazinen und Zeitungen veröffentlichte Texte, in denen sein Heimatbundesland eine wie auch immer geartete Rolle spielt. Damit ist das Grundkonzept auch schon umrissen, denn die Beiträge spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit die breite Stilpalette des sprachgewandten Dr. phil. wieder, in Bezug sowohl auf die Themen als auch auf die Textgattungen sowie die Stimmungen. Trotz des vielen Beiträgen zugrundeliegenden Humors ist Schäfers Ziel nicht jedes Mal die Pointe, und nicht selten bleibt einem das Lachen auch im Halse stecken und man bekommt Angst vor den Niedersachsen, besonders denen im ländlichen Bereich, und wenn man diesem entstammt, weiß man, dass jede Angst berechtigt ist. Aber: Provinz findet allein in den Köpfen statt, und das weiß der Autor nicht nur, sondern offenbart es auch anschaulich. Letztlich zählt, dass man über sich selbst lachen kann, und das gilt auch und besonders für Niedersachsen.
Nun reiste Schäfer nicht eigens für dieses Kompendium im Lande herum, sondern sammelt eben Themenbezogenes, was in wenigen Fällen vermutlich auch nur deshalb passt, weil der Autor Niedersachse ist. Fehmarn und das Mittelmeer sind zumindest nicht eben in oder an Niedersachsen gelegen. Doch darum geht es ja auch nicht, vielmehr bekommt man eine schöne Zusammenstellung der jüngsten schriftstellerischen Aktivitäten Schäfers, einen Sampler sozusagen. Die Texte offenbaren dem Langzeitbegleiter mindestens, dass der Autor über die Jahre offenbar latent zynischer geworden ist, schonungsloser beinahe. Was ihn selbst einschließt, und nicht selten zeigt Schäfer auch seine nachsichtige und warmherzige Seite, die er ansonsten gern unter dem Metalmantel (absichtlich mit einem L zu wenig) zu kaschieren versucht. Aber wer unterstellt schon einem Familienvater ernsthaft Eisenherzigkeit.
Einen echten Schäfer erkennt man schon an den ersten Zeilen, das war schon immer so und hat auch weiterhin Bestand. Schäfer hat einen eigenen Tonfall, in Satzbau, Wortwahl und Sprachtiefe. Man kann durch seine Texte nicht einfach brettern wie durch Bücher von Stephen King, man muss schon aufpassen und man darf sich erfreuen an und staunen über die Gewandtheit des Autors. Das schließt dezidiert gesetzte Fäkalsprache mit ein, die er geschickterweise nicht bei den Fäkalthemen anwendet; er weiß eben den Leser herauszufordern und Erwartungen nicht zu erfüllen. Das wiederum bezieht sich auch darauf, dass manche Texte beginnen, als liefen sie auf eine Pointe hinaus, die dann aber ausbleibt. Schäfer kurvt daran vorbei, setzt neue Schikanen und lässt den Leser dann im Leeren hängen, mit sich und den jüngst aufgenommenen Geschehnissen und Ansichten allein gelassen. Selten hinterlässt er damit Fragezeichen, zumeist regt er zum Innehalten und Reflektieren an. Die geschürte Angst vor niedersächsischen Gepflogenheiten ist damit bisweilen größer als deren Schmunzelpotential. Und selbst den humorbasierten Texten liegt nicht selten eine Schwermut inne.
Zu lachen gibt es dennoch so einiges. Und sich wiederzuentdecken ebenfalls, besonders, wenn man aus der Gegend rund um Gifhorn, Braunschweig, Wolfsburg kommt. Natürlich spielt Fußball eine Rolle, aber selbstredend auch der Metal, dem der Autor bekanntlich zugeneigt ist und mit dem er auch als Aktiver seine Erfahrungen machte. Zudem ist er Familienvater, nutzt seine Rolle aber nicht wie bei Vaterkolumnen üblich dafür, schlichtweg die Possierlichkeiten seines Nachwuchses nachzuerzählen, sondern sie in adulte philosophische Betrachtungen einzubetten.
Und letztlich ist es nicht immer die Kolumne oder die Kurzgeschichte, die Schäfer hier zur Anwendung bringt; er kann auch Poesie und Witz. Und Textanalyse; seinen Arno Schmidt hat er verstanden, das macht er deutlich. Nicht immer überdies stimmt man mit des Autoren Ansichten überein, das darf auch mal sein, und das rundet das Lesevergnügen erst ab, denn einen gelungenen Diskurs, auch mit sich selbst, darf man hier als Gewinn verbuchen. Das Cover gestaltete übrigens Schäfers Text- und Bühnenkollege Marcel Pollex, die Fotos von den einsamen Dorfbushaltestellen steuerte des Autoren Nachwuchs bei. Zur Lektüre empfehlen sich diverse Dosen Wolters und als Soundtrack Salem‘s Law.