Von Matthias Bosenick (11.05.2020)
Und die sind wirklich nur zu dritt! Psychedelisch zum Schweben gebrachten Doom mit ganz viel Abwechslung und ohne Gesang machen Flynotes aus St. Petersburg. Das Trio plündert den Bestand und vermengt ihn zu etwas Eigenem, das sich nicht an Genregrenzen halten mag und genau damit überzeugt. Wenn Aurora das hören könnte!
Mit dem Intro locken die Flynotes auf eine falsche Fährte, was man sogar ein wenig bedauern kann: „When Alcohol Ran Out“ ist das einzige Stück des Albums, aus dem man latent die Herkunft des Trios heraushört; es ist eine schlagzeuglose, mit einem Theremin versetzte Wehklage über das Ende eines Besäufnisses, dem zaghafte russische musikalische Strukturen zugrundeliegen. In der Folge bleibt das Russische nämlich weitgehend aus, die Wehklage auch: Im Westen erprobte Genres bilden die Hintergründe für das, was die Flynotes dann doch wieder mit einer eigenen Note versehen, und zwar auf eine positiv respektlose Weise den Traditionen gegenüber, was dann wohl in diesem Metier doch wieder typisch Russisch ist.
Und willkommen: Traditionelle Doommusik gibt es ja schon zuhauf, also ist es nur förderlich, mit den Schultern zu zucken, die Geschichte Geschichte sein zu lassen und den Zauberstab nach eigenem Gusto zu schwingen. Die Elemente bleiben dabei erhalten, nur anders zusammengesetzt. Hier ist es also möglich, dass der Doom, der sich ansonsten schwermetallisch dahinschleppt, eine psychedelische Leichtigkeit bekommt, einen fluiden Strom entwickelt. Hier treffen schräge Melodien auf hymnische Harmonien, trifft Gegniedel auf Heaviness, trifft flirrender Fuzz auf schwebende Atmosphäre, trifft Gothic Rock auf Sludge, trifft meditative Stille auf umwerfende Wucht, trifft Neunziger-Indie auf Krautrock, trifft osteuropäische Exotik auf Avantgarde; all dies mal nacheinander, mal miteinander. Auf diesem Wege erschaffen Flynotes etwas Neues, Eigenes, das dazu auch noch homogen ist und den Versuch obsolet macht, Vergleiche zu anderen Bands heranzuziehen.
Zwar handelt es sich bei den Flynotes lediglich um drei Musiker, nämlich Schlagzeugerin Natasha Bogulyan, Gitarrist Roman Kowarov sowie Bassistin Alira Julia Versen, die für Ilya Rytow neu dabei ist. Doch sind die drei nicht allein: Vitaly Borodin spielt Violine, Tatiana Shabanova das Theremin und Timofey Yushko Keyboard. In knapp zehn Jahren ist dies das fünfte Album von Flynotes und das erste auf dem norwegischen Label Hærverk Industrier, dem man für seinen weiten Horizont nur anerkennend zunicken kann. Ein wunderbares Album!