Fleur de Feu – Weep – P.O.G.O./Off Records 2025

Von Matthias Bosenick (25.03.2025)

Auf „Weep“, ihrem zweiten Album, machen Fleur de Feu so gut wie gar keine figürliche Musik: Angelehnt an den Texten der Cheyenne-Medizinfrau Mestaa’ėhehe (Owl Woman) generiert das Projekt der Brüsselerin Dominique Van Cappellen-Waldock milde, hypnotische Drones zu ihrem Gesang. Lediglich ein Track würde sich für spätnächtliche Gothic-Floors eignen, der Rest ist höchst attraktives Experiment.

Mit einer elegischen Dissonanz, über der karge Streicher kratzen, beginnt das Album, programmatisch betitelt mit „How Shall I Begin My Song“. Dazu singt Van Cappellen-Waldock, wie sie es das gesamte Album lang beibehält: entrückt, ätherisch, zaghaft und doch klar und ausdrucksstark. Man ist geneigt, Analogien zu suchen, und findet sie stimmlich in Nico, Diamanda Galás, Siouxsie Sioux oder Jarboe. Einfach, weil man Orientierung sucht, und nicht, weil der Klang identisch ist, geschweige denn die Musik, auch wenn man „Weep“ recht gut in die Gothic-Abteilung einsortiert bekommt.

Denn die Musik bleibt experimentell, in Kombination mit dem melancholisch-schamanischen Gesang durchaus gruftig. Rhythmische Strukturen gibt es nur ganz selten, etwa das Schlagzeug-Grummeln am Ende des Titelstücks oder das nur dreiminütige „Mother“, das als einziges einen durchgehenden Takt hat und dem Gothic-Gedanken am nächsten kommt. Der Rest bleibt in milden Drones, in Loops, in Flächen, in Soundscapes verhalten, die nur selten überhaupt Rückschlüsse auf die sie generierenden Instrumente zulassen, so verfremdet sind sie eingesetzt. Auch dazu gibt es Ausnahmen, ein wiedererkennbares Cello etwa oder im sechsten, dem letzten Stück „White Feathers“ die aus dem Artrock geborgte Gniedelgitarre.

Die Gitarren-Loops und den Gesang übernimmt Van Cappellen-Waldock selbst, für den Rest hat sie Mitmusizierende, nicht jeder bei allen Stücken: Die Streich-Langhalslaute Yaylı Tambur spielt Jacopo Andreini, die Hawaii-Gitarre James de Backer, das Cello Matthieu Safatly, Gitarre Teuk Henri, Percussions Alinovsky und weitere Gitarren und Synthies Raphaël Rastelli. Produzent Déhà beteiligt sich außerdem mit Gitarren, Bass, Percussion und Synthies. Alles ergibt eine Musik gewordene Spiritualität, die sich nicht nur aus den Texten von Mestaa’ėhehe speist, sondern auch aus dem Umstand, dass Van Cappellen-Waldock Nachfahrin eines Druiden ist, wie sie wissen lässt.

„Weep“ ist das zweite Album, das Van Cappellen-Waldock als Fleur de Feu herausbringt, nach „A Fire Ceremony“ vor drei Jahren. Nun sind dies aber nicht die ersten Veröffentlichungen der Brüsselerin: Sie hat eine gigantische Liste an Projekten und Bands vorzuweisen. Das komplett weiblich besetzte Postpunk-Trio Baby Fire dürfte ihr Schwerpunkt sein, das noch parallel zum inzwischen stillgelegten Poptrio Keiki den Betrieb aufnahm. Davor war sie bei Nutshell, Naifu und In Heaven, nebenbei ist sie bei Von Stroheim und weitere Beteiligungen waren bei SLWWRMS, Las Vegas und Be The Hammer. Und solo macht sie auch noch was. Fleur de Feu hat aus gegenwärtiger Sicht eine künstlerische Herangehensweise, die man mit der von Chelsea Wolfe oder Anna van Hauswolff vergleichen könnte. In die Richtung passt Van Cappellen-Waldock auch besser als ins Goth-Fach.