Von Matthias Bosenick (13.08.2015)
Die neue Fear Factory ist zwar ein Brett, aber keines aus Vollholz, sondern eine Spanplatte: Irgendwie zweckmäßig, aber nicht wirklich heavy; aus diversen Splittern zusammengeleimt, ohne eigenen Charakter und vermutlich ohne lange Einsatzdauer. Im Regal wird sie eher hinten bei „Digimortal“ und den jüngeren Alben der Zehnerjahre verbaut, während „Demanufacture“, „Archetype“ und „Soul Of A New Machine“ die repräsentativen Elemente darstellen. Wiedererkennbar ist der Sound schon, dank Burton C. Bells Gesang und der elektronisch zerhackten Stakkatoriffs. Was hier aber fehlt, sind markante Songs, Seele und Atmosphäre sowie ein warmer Bass, der den Groove besorgt.
Das Album folgt der inzwischen zum Markenzeichen gewordenen Dramaturgie: Erst ein paar Nackenbrecher, dann eine Ballade mit dronigem Elektro-Fade-Out, dann – in der limitierten Version – die Bonustracks. Das funktionierte schon 1995 auf dem Hit-Album „Demanufacture“, das war auch der Aufbau der Alben seit „Archetype“ 2004. Auch die Songs unterliegen einer Formel: knatternde Riffs, abgemildeter Refrain; die Stimme wechselt von Geschrei zu klarem Gesang. Bereits auf „Demanufacture“ scholten Puristen die Band für ihr elektronisch getriggertes Schlagzeug, das nicht mehr der Bibel des ehrlichen Heavy Metal entsprach. Und weiterhin bereits zum Debütalbum „Soul Of A New Machine“, das noch reinrassiger Thrash Metal war, gab es mit „Fear Is The Mindkiller“ eine EBM-Remix-EP, seinerzeit hauptsächlich angefertigt vom damals noch Front Line Assembly angehörenden Rhys Fulber. Nach diversen Umwegen kehrte Fulber jetzt wieder zurück und bildet quasi den dritten Mann im Duo Fear Factory.
Richtig: Im Grunde besteht die „Band“ heute lediglich aus den Gründungsmitgliedern Burton C. Bell und Gitarrist Dino Cazares, Bass und Schlagzeug kommen von Gastmusikern. Fulber übernimmt es für dieses Album, auf elektronischem Wege für die charakteristischen unnatürlichen Riffs zu sorgen, indem er das Metalmaterial am PC zerstückelt und das Ergebnis gelegentlich mit Synthies unterlegt. So nah am amerikanischen Industrial wie auf diesem Album waren Fear Factory trotz der nur geringen Veränderungen zum Vorgänger „The Industrialist“ noch nie zuvor: Anders als der europäische kombiniert der nämlich Gitarren mit Elektronik, nur dass sie im Falle Fear Factory noch heavyer ausfallen als bei vergleichbaren Acts wie Nine Inch Nails oder Ministry.
À propos, deren Meister Al Jourgensen steuert den ersten Bonustrack bei, indem er einen Song namens „Mandatory Sacrifice“ mit dem Ministry-Firnis versieht (und sogar The Young Gods und Die Krupps zitiert, die beiden europäischen Vertreter des US-Industrial). Das bedeutet: Die Riffs sind noch zerhackter, das Grundgerüst indes groovt mehr. Zuletzt schiebt Fulber den Song „Enhanced Reality“ mit reduzierteren Gitarren noch weiter in die kanadische EBM-Ecke.
„Genexus“ nun klingt einfach nicht mehr nach Band, also nach echtem Heavy Metal, nach handgemachter Musik. Damit geht dem Album zu großen Teilen die Seele flöten, sei es auch noch so musikalisch versiert, hüpfehart und technisch einwandfrei. Klar kann man es prima hören, aber da die Grundthematik der Band die Vermaschinisierung der Menschheit ist, bildet sich die eben auch im Sound ab, und der ist dann zwangsläufig kalt und glatt. Mission erfüllt, okay. Mehr Atmosphäre stünde der Band aber auch gut. Das Projekt City Of Fire zeigte vor ein paar Jahren, wie formidabel Bells Bellen und warme Musik zusammen klingen. Tja, es gibt eben Namen, die man gerne mit Fear Factory verbindet, auch wenn sie zum Teil erst später dazustießen, die heute fehlen und deren Träger vermutlich auch den Sound prägten: Christian Olde Wolbers, Byron Stroud, Raymond Herrera, Gene Hoglan.
Letztlich überwiegt zwar eine latente Enttäuschung, aber man stellt sehr wohl fest, dass man es grundsätzlich mit einem Qualitätsprodukt zu tun hat. Die Stücke sind mitnichten scheiße, da ist kein Mist drauf; aber auch Metal kann mit ruhigem Gewissen eine Seele haben.