Von Matthias Bosenick (03.09.2018)
Was soll man als Supporter davon halten? Mit einer Menge Geld, die weit über dem liegt, was man ansonsten für ein Album auszugeben bereit gewesen wäre, unterstützte man in den Nullerjahren die Einstürzenden Neubauten vorab darin, neue Alben zu produzieren. Der Erlös bestand daraus, Besitzer eines exklusiven Tonträgers zu sein. Diese Exklusivität beenden die Neubauten nun, indem sie das zweite Supporter-Album „Grundstück“ für den Handel neu veröffentlichen. Inklusive einer Bonus-DVD mit Material, das auch der Supporter noch nicht hat, ihn mithin zum erneuten Erwerb zwingt. Da vergisst man grollend, wie gut das Album eigentlich ist.
Die ganze Supporter-Aktion lief seinerzeit zwar wegweisend, aber doch einigermaßen aus dem Ruder. So richtig die Kohle, die die Neubauten erwarteten, kam nicht zusammen, weshalb sie ihr Konzept beständig den Marktbedürfnissen anpassten. Heißt: Vom „Supporters‘ Album #1“ (2003) übernahmen die Neubauten ausgewählte Tracks für das folgende offizielle Studioalbum „Perpetuum Mobile“ (2004), das dritte und letzte Supporter-Album „Alles wieder offen“ erschien 2007 um wenige Songs gekürzt parallel auch im Handel. Größte Frechheit zu der Zeit war: Die Neubauten produzierten nebenbei einzelne Tracks, die sie ausschließlich den Supportern als Download zur Verfügung stellten, die so genannten Jewels, sie nach Scheitern der Aktion 2008 aber für alle als CD „The Jewels“ herausbrachten. Auch die ursprüngliche Bonus-DVD von „Grundstück“ erschien später separat als „Palast der Republik“ (und das auch noch billiger, als wenn man die CD/DVD-Version vorab supportet hätte, anstelle der reinen CD-Variante). Die DVD, die nun der Wiederveröffentlichung des Albums beiliegt, ist aber eine andere, nämlich mit Material zur Entstehung der Musik, an der die Supporter teilweise per Webcam und Chat beteiligt waren. Hingenommen hat man anstandslos das Auftauchen von „Grundstück“-Liedern auf der vierten „Strategies Against Architecture“-Compilation 2010, aber eine komplette Wiederveröffentlichung des Albums – auch auf LP – hat bei aller Liebe zum Inhalt einen unangenehmen Beigeschmack.
Man merkt dem „Grundstück“ an, dass die Band zu dem Zeitpunkt nach Orientierung suchte. Es pendelt zwischen einigermaßen richtigen Songs mit lebendiger und wuchtiger Dynamik und handzahmen, eher stillen Experimenten, mit dem Hauptaugenmerk auf dem titelgebenden eher avantgardistischen Trackkomplex in der Mitte, umklammert von so beinahe hübschen Preziosen wie „Good Morning Everybody“. Die Musik vergrößert die seit Anfang der Neunziger aufgetane Kluft zwischen Industrial und Feuilleton. Blixa Bargelds Schalk manifestiert sich in „Wo sind meine Schuhe?“, trotz aller Anstrengung, die das Album insgesamt unterschwellig ausstrahlt, konfrontiert mit der Erkenntnis der Unwirtschaftlichkeit, die das Plattenproduzieren in Zeiten der zurückgehenden Verkäufe mit sich brachte. Da war das Konzept mit dem Subskribieren vorab ein mutiger Schritt, den Plattformen wie Pledge später erfolgreich übernahmen. Für die Neubauten reichte es nicht, da die Plattform nicht über die eigene Webseite hinausreichte; damals hatte das Internet auch noch nicht die Breitenwirkung, die es heute mit der Zubreitenwirkung schon wieder verliert.
Die drei Alben und die Jewels waren nicht das einzige, das die Neubauten den Supportern damals anboten. Als Vorab-EP zum Auftakt-Album lud die Band die „Airplane Miniatures“ hoch, von denen zwei auf dem Album landeten, und lancierten die Doppel-CD „Alles was irgendwie nützt“ (nur echt ohne Komma) mit einer restaurierten Auswahl von beliebten Bootleg-Stücken. Außerdem riefen sie von 2005 bis 2007 die noch experimentellere Album-Reihe „Musterhaus“ ins Leben, für die eine Extra-Subskription erforderlich war, mit noch höheren Beitragszahlungen – deshalb sind diese Alben auch noch rarer als „Grundstück“. Man kann also angesichts der „Grundstück“-Wiederveröffentlichung davon ausgehen, dass die acht „Musterhaus“-Alben demnächst auch noch für alle zugänglich gemacht werden. Mit ähnlichem Beigeschmack.