Von Matthias Bosenick (26.06.2024)
Noch so ein Rerelease eines Debüts auf Bird’s Robe Records, dieses Mal von Echotide aus Brisbane und nach zwölf (sic!) Jahren, und wiederum aus dem episch-opulenten instrumentalen Post-Rock – da geht was in Australien. Der Titel „As Our Floodlights Gave Way To Dawn“ ist ungefähr so lang wie das Album (70 Minuten), die Band Echotide – zunächst ein Seitenarm der Prog-Metaler Arcane – hat danach nicht wesentlich mehr veröffentlicht und die typischen Parameter des Genres finden sich hier in einem eigenständig erweiterten Umfeld wieder. Bemerkenswert an diesem Sound ist das Piano, das hier die gewohnten Post-Rock-Strukturen begleitet.
Tatsächlich bekommt die Musik mit dem Klavier einen Filmscore-Anstrich, was offenbar auch die Intention von Echotide ist. Natürlich nicht durchgehend, denn wie es sich gehört, nehmen sich Echotide Zeit, ihre endlos langen Tracks aufzubauen, sie lassen also teilweise sehr stille In- und Outros um die Stücke herumfließen und auch zurückhaltende Mittelteile zu, die die energetischeren Passagen umspülen, in denen das Soundtrackartige zurücktritt. Trotzdem, auch in denen erklingt gelegentlich das Piano, greift Rhythmen und Tempi auf, spaziert neben Gitarre, Bass und Schlagzeug und erweckt den Eindruck, die Musik habe ein zusätzliches Standbein bekommen und damit mehr Stabilität. Insbesondere in den lauteren Sequenzen, wenn sich die Gitarren auftürmen, das Schlagzeug brettert und das Klavier dem vertrauten Raum eine neue Dimension öffnet.
Vor zehn Jahren war das Feld des Post-Rock noch nicht ganz so beackert wie heute, obschon es kein neues Feld mehr war, und das hört man dem Album auch an. Im Grunde ist es zeitlos, weil es in dem Genre seitdem kaum nennenswerte Entwicklungen gab und sich Unterschiede lediglich in Erweiterungen zu den Seiten hin generieren lassen, es also genau so gut auch heute hätte aufgenommen worden sein können. Man hört, wie groß der Einfluss von Minimalisten wie Sigur Rós war, die Tracks mit nur drei Akkordwechseln per unablässiger Wiederholung auf eine Viertelstunde dehnen konnten und die Abwechslung aus der schwankenden Intensität herausarbeiteten. Für Neues geht also nur, außerhalb der Box zu denken: Hier sind es etwa die Streicher in „Embers Glow“, die den Post-Rock-Pathos mit Opulenz in Richtung Folk oder gar Klassik erweitern, sowie die Prog-Rock-Strukturen in „Stillwaters“, die das Soundspektrum verschieben.
Von dem Progressive Metal der Band Arcane, aus der Echotide seinerzeit erwuchsen, ist auf „As Our Floodlights Gave Way To Dawn“ übrigens gar nichts zu hören, jedenfalls schlägt sich da nichts im Tempo nieder, denn das verträumt-melancholische Album bleibt balladesk entschleunigt, lediglich manche Drumblasts erinnern an irgendeine Art von Metal. Gitarrist Michael Gagen (auch bei Hazards Of Swimming Naked und Agrammeofsoma) und Keyboarder Matthew Martin gründeten seinerzeit Echotide, auf dem Debüt aus dem Jahr 2012 trommelte noch Geoff Irish von Caligula’s Horse. Für diese Zehn-Jahre-Ausgabe nach zwölf Jahren überarbeitete die Band ihr Album einmal komplett, nahm es in Teilen mit alten und neuen Mitmusikern neu auf und remixte den Rest, man hat es also faktisch tatsächlich mit einem eigenständigen Werk zu tun. Zwei Songs weichen in ihren Längen vom Original-Album ab, außerdem änderte man die Farbe des Covers von Grün auf Rot. Nach diesem Auftakt erschien 2017 „Into The Half Light“, für den August ist das erst dritte Album „Dustwun“ angekündigt.