DzuszanD ft. Redink – Disintegrating Brutality – Dzuszan Bad 2024

Von Matthias Bosenick (27.11.2024)

Was beginnt wie eine formlose Industrial-Variante, schwingt sofort in eine improvisierte, freie Rockmusik über. Dabei behält das Krakauer Trio durchaus vertraute Strukturen bei, etwa einen nachvollziehbaren Rhythmus und fragmentarische Melodien, formt drumherum aber eindeutig eigensinnige Sounds und Varianten dessen, was man üblicherweise unter Rockmusik versteht. Die 40 Minuten von „Disintegrating Brutality“ erscheinen unter dem Projektnamen DzuszanD ft. Redink, die Besetzung der bisher sechs Veröffentlichungen auf Bandcamp unterscheidet sich je nach Bandbenennung. Einen Zugang zu finden zu dieser Art dekonstruktivistischer Musik ist gar nicht so schwer, wie es den Anschein hat.

Der Titeltrack startet eben mit unstrukturierten Electro-Sounds, in die sich schnell ein vertrautes Band-Instrumentarium einfügt. Sobald man sich an dieses freie Soundkonstrukt gewöhnt hat, ist es auch schon vorbei – nach dem radiotauglichen dreieinhalb Minuten, die man gar nicht als so lang empfunden hat. Danach beginnt die Band, mit geraden Rhythmen und wiederkehrenden Bassriffs zu arbeiten, die es mit obskursten Sounds hinterlegt. Im kurzen „Siedem głów“ ist sogar eine Stimme zu hören, die auf Polnisch etwas zum Rhythmus passend skandiert.

Das fast zehnminütige „g7“ ist eine Art Impro-Jam, zu einem schnellen Schlagzeug-Bass-Ritt erklingen spacige Sounds, die für das letzte Drittel das Ruder komplett übernehmen. Diese Sounds laufen direkt über in „Zapowiedź“, das mit einem blubbernden Synthie den Anschein erweckt, in den Electro-Pop übergleiten zu wollen, doch die jazzy Drumexperimente konterkarieren dies. Erstaunlicherweise schält sich daraus gegen Schluss dennoch kurzzeitig ein Discobeat hervor. Die letzten 13 Minuten gehören „Zmiany klimatu“, einem Jam, in dem die Band alles auslebt, worauf sie Bock hat: Sämtliche Instrumente wild durcheinander, von Strukturen weitgehend befreit, alles improvisiert und der Enge von Konventionen befreit. Das Unzugänglichste zum Schluss, denn wer es bis hierhin geschafft hat, dem ist auch Freude an dieser Art von Gefangenheitsberaubung zuzutrauen.

Das hier so genannte Projekt DzuszanD besteht aus: Bassist Jan Niedziela, Schlagzeuger Jakub Rutkowski und Tomasz „Redink“ Przewrocki, der Modular-Synthies spielt. Heißt also, DzuszanD sind hier ein Duo mit Gast. Das Album davor, „Noisowe Lasy“ aus dem Jahr 2022, erschien als Duszan Duo & Redink, aber mit dem Gitarristen Krystian Kniaziowski anstelle des Schlagzeugers. Auf den drei Alben davor hieß das Projekt noch Duszan B, offenbar als Quartett angelegt, neben Projektkopf Jan Niedziela und Krystian Kniaziowski mit Schlagzeuger Łukasz Mikołajczyk und Trompeter Paweł Gawryłowicz sowie als zusätzlichen Gästen Sängerin Aleksandra Zawłocka und Saxophonist Tomasz Przetacznik – plus Redink, der mal als Musiker, mal als Coverfotograf involviert war. „Disintegrating Brutality“ trägt den Untertitel „Spring Session 1“, deren zweiter Teil „Live@Supernova“ inzwischen ebenfalls vorliegt, abermals als DzuszanD ft. Redink.