Von Matthias Bosenick (29.07.2025)
Na, da haben sich ja zwei gefunden: In Sachen Impro-Musik sind der Brite Mark Wastell und der Belgier Dirk Serries so kompromisslos wie umtriebig, für die fast halbstündige EP „Dual Activity“ fanden sie erstmals im Studio zusammen. Serries brachte seine Archtop-Gitarre mit, die mit dem klassischen Swing-Jazz-Sound, und Wastell sein Percussion, auf dem er so ziemlich jedes Element mindestens einmal verwendet. Eine herkömmlichen Strukturen folgende Musik entsteht dabei nicht, vielmehr die De- und Rekonstruktion von Jazz, wie ein aus einer zerstörten wunderschönen Vase willkürlich neu zusammengesetztes Mosaik, das eine eigene Schönheit entwickelt.
Auf Melodien und Rhythmen sollte man sich bei dieser „Dual Activity“ schon mal gar nicht einstellen. Anders als auf anderen Alben generiert Serries hier auch keine Drones, sondern konkrete Töne, die er seiner Jazz-Swing-Gitarre entreißt und die er frei aneinanderreiht, ohne Rücksicht auf Konventionen. Der uralte Jazz liegt dem Instrument einfach inne, man hört ihn auch in Serries‘ Spiel, obschon dieser Jazz hier formal keine Rolle spielt.
Man kann diese Musik durchaus als spröde, als sperrig empfinden. Seinen Anteil daran hat Wastell, indem er sein Percussion-Set zwar komplett einsetzt, aber ohne sich dabei an nachvollziehbare Strukturen zu halten. Er ordnet alles nacheinander an, wie es ihm unter die Sticks kommt, bedient alle Elemente, mit klöppeln, klickern, rasseln, scheppern; wer schon einmal etwas von Evelyn Glennie gehört hat, findet sich hier schnell zurecht.
Errichtet das spontane Duo zunächst einen Stapel an Geräuschen, verfeinert es seine Ausdrucksform mit der Zeit. Zur Mitte hin lassen Wastell und Serries mehr Lücken, „Aylmer“ lässt die Momente der Kontemplation in diese EP einfließen, die sich später häufiger in den Ablauf mengen. Zwar stellt es nicht nur für Ungeübte zunächst eine Herausforderung dar, diese EP aufzulegen, doch findet man sich schnell in diesen improvisierten Sound ein.
„Dual Activity“ stellt den fünften Teil von Wastells EP-Serie auf seinem Label Confront Recordings dar, nämlich die „CoRe 05 EP“. Am Vorgänger „Vectorial Spaces“ war im März 2024 kurioserweise nicht der Labelbetreiber selbst beteiligt, dafür aber sein neuer Kompagnon Serries, zusammen mit Andrew Lisle. Den dritten Teil „Meditating With The Father, Son, And Holy Ghost“ spielten 2023 neben Wastell noch Ed Jones und Dominic Lash ein. 2021 stellte die Wiederveröffentlichung des bereits 2014 herausgebrachten Albums „Acetate“ von Joachim Nordwalls Alias Oceans Of Silver And Blood den zweiten Teil dar. Den Auftakt dieser EP-Serie lieferte 2021 Wastell zusammen mit Chris Abrahams. Dazwischen lagen so unzählbar viele weitere Alben von Wastell, dass man beim Wettstreit zwischen ihm und Serries gar nicht ausmachen kann, wer mehr auf seinem Zettel hat. Jetzt also erstmals eine Aufnahme miteinander. Das wurde auch Zeit!