Dirk Serries – Defiance Of Self – Silentes/13 2024

Von Matthias Bosenick (13.08.2024)

Es ist ein Rausch, ein Skulpturengarten im dichten Nebel, ein Tauchgang in Honig, ein zwielichtiges Labyrinth in Watte: „Defiance Of Self“ nennt Dirk Serries seine Experimente, die er mit seiner Gitarre und seinem Effektboard mitschnitt, in Echtzeit, wie die Info betont. Die Info sagt außerdem, dass die fünf Ambient-Tracks dunkel und experimentell ausgefallen sind, aber das ist durchaus diskutabel: Freunde solcher freien Musik finden Freude an den entschärften Atmosphären, die die Hörenden umhüllen und vom Übel der Welt abtrennen. Dunkel geht anders, abstrakt indes ist es sehr, und es gelingt dem Antwerpener ungemein gut, aus dem Experiment Schönheit zu extrahieren. Von wegen „Selbstverachtung“!

Fünf Tracks zwischen zehneinhalb und dreizehneinhalb Minuten generiert Serries bei sich zu Hause im Studio mit Gitarre und Pedalen. Der Opener „Mantle“ trägt seinen Titel mit Recht, er umhüllt, umfängt die Hörenden wie ein Schutz, den man nicht spürt, nicht sieht, lediglich wahrnimmt, mit einem siebten Sinn vermutlich, ein wabernder Rausch. Auch zu „Crumbling“ an zweiter Stelle passt der Titel, das Stück zerbröselt nicht einfach, Serries zerhackt es, er generiert beinahe Industrial-artige Rhythmen, bleibt aber dennoch milde damit. Es erinnert sehr an den Sound des wunderbaren Duos Nac/Hut Report aus Kraków.

In Track Drei, „Perception“, wird Serries beinahe sakral, es klingt wie ein Gottesdienst, der im grauen Zwielicht eines noch nicht besiedelten fremden Planeten abgehalten wird. Unterdrückte Chöre aus dem Zwischenreich und ein Organist, der gegen Ende mühsam dagegen ankämpft, zur Seite zu kippen, halten die Motivation der Kirchgänger am Rande einer unzugänglichen Landschaft aufrecht. In „Reckoning“ klingen Serries‘ Instrumente wahlweise wie Schiffshörner, die Orientierung zu geben versuchen, abstürzende Flugzeuge und Formel-1-Boliden im Vorbeiflug, begleitet von einem weit entfernt im Graben seine Instrumente stimmenden Orchester. Zum Finale gibt’s mit „Vigil“ eine transparente, ätherische Mahnwache, einen Chor der stummen Seelen, einen Begleiter hinab in ein narkotisches Traumland.

Serries fasst „Defiance Of Self“ als Fortsetzung von „The Disintegration Of Silence“ auf, das er nur wenige Monate zuvor als Soundtrack zu einem Kunstbuch von Stefano Gentile unter gleichen Bedingungen aufnahm. Jener Fotograf, nicht der Basketballer, nun revanchiert sich damit, dass er diese Fortsetzung ebenfalls auf seinem Label Silentes/13 herausbringt. Wer Serries‘ Musik sammeln will, braucht derweil ein dickes Portemonnaie und viel Platz im Regal – der Mann ist unermüdlich. Man darf sich freuen auf die erste Collaboration mit Jörg A. Schneider, die hoffentlich in Kürze zu haben ist – die zweite sollte ebenfalls bereits aufgenommen sein. Es reißt nicht ab!