Von Matthias Bosenick (29.01.2025)
An der Verfilmung von „Die drei ??? und der Karpatenhund“ ist einiges erheblich besser als an der des Vorgängers „Erbe des Drachen“, obwohl sich am beteiligten Team kaum etwas änderte. In dieser 1975 als „The Three Investigators And The Mystery Of The Invisible Dog“ erschienenen und von Mary Virginia „M.V.“ Carey verfassten Episode der Juniordetektive aus Rocky Beach ermitteln die Genannten in einer Wohnanlage in Los Angeles zu diversen Vorfällen, darunter Spukerscheinungen und dem Diebstahl der Titelfigur. Der Film nimmt die Sache ernst, verändert dramaturgisch akzeptabel Details und versteckt unzählige Easter Eggs für Leute, die die Drei Fragezeichen – insbesondere die alten in den USA erschienenen Folgen – annähernd auswendig kennen. Ein neuer Lieblingsfilm wird daraus zwar trotzdem nicht, aber das Vergnügen ist auch für einen kritischen Altfan angenehm hoch.
Dieser vierte Film um die drei ??? gilt als direkte Fortsetzung vom „Erbe des Drachen“ und setzt genau an dessen Ausgang an, nämlich bei telefonisch in der Wohnwagen-Zentrale der Detektive auf dem Schrottplatz von Justus‘ Onkel Titus Jonas eingehenden Aufträgen, nach Verlorenem zu suchen, Haustieren zumeist, auch mal Einhörner oder gar Vogelscheuchen. Als eine gruselige solche verkleidet sich indes Skinny Norris, der Erzfeind der drei, der einen Clip von deren Erschrecken ins Internet stellt. Nun geraten sie nach allerlei Kleinkram plötzlich an Mr. Prentice, der in einer Wohnanlage in Los Angeles lebt, dort von Spukerscheinungen heimgesucht wird und eigens nach Rocky Beach reist, um die aus der Zeitung berühmten Detektive zu engagieren. Endlich erwachsene Aufträge!
Die Wohnanlage sieht tatsächlich so aus, wie man sie sich vorstellt: gedrungene Appartementhäuser ducken sich im Halbkreis um einen herrlich türkisblauen Pool, alles umringt von einer Mauer. Ein nahezu hermetisches Setting also, in dem skurrile Figuren auftreten uns allesamt zu Verdächtigen werden, nachdem sich zum Spuk auch noch Diebstahl gesellt: Der verschwundene Karpatenhund ist ein kristallgläsernes und enorm wertvolles Kunstwerk des verstorbenen Gatten von Mr. Prentice, und auch der Spuk spielt mit Geheul an dieses mystische Stück Kunst an. Alle Nachbarn sind verdächtig und haben Geldsorgen: die strunzneugierige Hauswartin Mrs. Boogle, der esoterisch verspulte Supermarkmitarbeiter Sunny Elmquist, die im Park mit ihren Körperfähigkeiten um Geld bettelnde Schlangenfrau, die im Café jobbende aufstrebende Schauspielerin Mrs. Chalmers, der Börsenspekulant Mr. Murphy sowie der als Geschäftsmann erfolglose Erfinder Mr. Niedland, dem bei der Erbschaft leer ausgegangenen Bruder des verstorbenen Künstlers.
Erinnert das Setting angenehm an Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“, gemahnt das Aussieben der Verdächtigen durch Attentate an „Da waren’s nur noch eins“ (der ursprüngliche deutsche Titel ist dem Verfasser bekannt) von Agatha Christie: Kaum finden die drei Detektive etwas Belastendes über jemanden heraus, verliert derjenige seinen Status als Verdächtiger durch Autobombe, Giftpraline oder Wohnungsbrand. Nach und nach lösen die drei Fragezeichen Rätsel um Rätsel: Wer war der Vermummte, den Peter nach dem Diebstahl des Karpatenhundes verfolgte? Was dealen der Eso-Hippie und die Schlangenfrau? Wer durchwühlt Mr. Prentice‘ Wohnung? Und zuletzt: Wer stahl das Kunstwerk und wo befindet es sich?
Auch wenn es sich um eine Jugendserie handelt, inszeniert Tim Dünschede seinen zweiten Film über die drei ??? erwachsener. Sicherlich geht da immer noch einiges mehr in Sachen Action, Schnitt und Atmosphäre, doch ist der „Karpatenhund“ angenehm frei von kindischen Fremdschämmomenten und Albernheiten, dafür eben in manchen Elementen recht drastisch, siehe die Attentate. Für die filmische Umsetzung ließ Dünschede nicht einfach mit der Kamera draufhalten, sondern baut Close-Ups und gelungene Perspektiven ein. Zudem setzt er den Pool unverdächtig präsent in Szene. Manche Szenen wirken immer noch etwas aneinandergeklebt, aber bei weitem nicht mehr so stümperhaft wie im Vorgängerfilm.
Nicht zwingend peinlich, aber etwas weniger überzeugend gelingt der Spuk; Mr. Prentice reagiert reichlich irrational auf die annehmbar fingierten Flackereien und Heulereien. Unrealistisch ist auch, dass er sich nicht gegen die Beleidigungen eines Skinny Norris zur Wehr setzt. Ebenso unrealistisch ist, dass Mrs. Boogles nachweisbare Wohnungseinbrüche keine rechtlichen Folgen haben, sondern man sich ihrem aalglatten windigen Gelaber beugt. Und ob sich ein in die Jahre gekommener Kunstsammler tatsächlich an drei Teenager wenden würde, mag als Buch und als Hörspiel funktionieren, im Film hat es etwas, sagen wir, unangenehm Verschrobenes.
Zwar sind die drei Titelfiguren hier deutlich weniger unsympathisch als im „Erbe des Drachen“, nur kommt zwischen ihnen selten eine fühlbare Beziehung auf. Sie bilden viel zu lang keine untrennbare Einheit, sondern sind drei Individualcharaktere, die miteinander in Erscheinung treten. Zumindest nimmt man den Darstellern auch das Alter betreffend grundsätzlich ab, Justus, Peter und Bob zu sein, obschon sie etwas hölzern agieren. Tante Mathilda und Onkel Titus erscheinen hier ebenfalls nicht mehr so furchtbar wie im Vorgänger, auch wenn sie altersmäßig immer noch etwas unter den Erwartungen liegen. Ebenso Cotta, hier noch Detective mit der Aussicht, nach Rocky Beach versetzt und zum Inspector befördert zu werden: Ein auf erotische Weise schlecht rasierter Schönling ist nicht, was man sich unter Kommissar Reynolds‘ Nachfolger vorstellt.
Wiederum anders verhält es sich mit dem Fallpersonal: Das erfuhr einige Anpassungen, teils in Alter, teils in Geschlecht, zudem – wie im ersten Film – besetzte Dünschede einige Rollen mit People Of Colour, was komplett legitim ist, zumal eine Hautfarbe in den Büchern ja gar keine Erwähnung findet. Die Motivation für die Straftaten veränderte Dünschede außerdem, und dies angenehm schlüssig, so dass auch diejenigen, die die Episode auswendig kennen, noch überrascht werden können. Ebenso schlüssig integriert Dünschede hier moderne Technik, die es 1975 noch gar nicht gab, wie Handys; das gelingt ihm sogar besser als manchen Autoren der jüngeren Bücher. Eine Verschiebung der Geschichte von der Weihnachtszeit in den Sommer ist angesichts der hübsch-sommerlichen Bilder verschmerzbar, auch wenn damit das Besondere daran verlorengeht, dass zumindest eine Bewohnerin trotzdem den Pool zum Schwimmen nutzt.
Pluspunkte gibt es zudem für die Ausstattung: Zentrale und Schrottplatz sind optisch mehr als gelungen, auch hält Gran Canaria als Los-Angeles-Ersatz bestens her. Hineingeschnittene Luftaufnahmen der US-Stadt runden den Eindruck ab, sich tatsächlich in Kalifornien zu befinden. Weitere Pluspunkte: Peter trägt Sportbekleidung von Mannschaften aus Rocky Beach, also dem fiktiven Ort. Der Link mit dem Kristalllüster im Reinigungsbad führt zwar zu einer Erkenntnis, aber die löst nicht den Fall, sondern zunächst die Idee mit der UV-Paste aus; wer die Lösung kennt, gerät zunächst also auf eine falsche Spur. Justus‘ Striptease am Schluss ist ein geschickt in die Dialoge und den Lösungsprozess eingebauter Effekt, der nicht zum Peinlich-Moment herhalten muss.
Und nicht zuletzt: Dünschede baut hier mehr Easter Eggs ein, als man wahrnehmen kann, und dann auch noch solche, die selbst eingefleischte Fans vor Herausforderungen stellen dürften. Relativ eindeutig ist der Hinweis auf den „Ameisenmensch“, in dem eine wandelnde Vogelscheuche Nachbarn einschüchtert. Ebenso der auf das „Gespensterschloss“, den ersten Fall von Robert Arthur aus dem Jahr 1964, in dem Bob durch eine Fußverletzung in den Rollstuhl und somit in die Position „Recherchen und Archiv“ gezwungen wird. Aus der Hörspielfassung dazu bekannt ist die Bezeichnung „Schreckensbleiches Nervenbündel“ für Skinny Norris, die hier auch fällt. Der obligatorische Kirschkuchen von Tante Mathilda ist ein in jüngerer Zeit reichlich nervig gewordenes Element der Serie – eingeführt aber erst 1993 im ersten deutschsprachigen Nicht-US-Band „Tatort Zirkus“ von der in weiten Teilen zu Unrecht gescholtenen Brigitte-Johanna Henkel-Waidhofer. Das Telefonklingeln übernahm Dünschede gleich mal von Heikedine Körting, der Regisseurin der Hörspielserie. Den von ihr performten Mynah Blacky indes nicht, der fehlt hier.
Doch es geht noch tiefer: Als Bob in Los Angeles eine Wissenschaftlerin interviewt, geschieht dies laut Außenbeschriftung in einem „M.V. Carey Institute“. Ein Plakat an einer Straße wirbt für die Produkte von „Chicken Crown“ aus „Der giftige Gockel“. Die beiden Cosplayer im Vergnügungspark sind dort im Auftrag von Kamikaze-Comics aus „Comic-Diebe“. Und – das musste der Rezensent nachlesen – ein Plakat in der Zentrale wirbt für die 2025er-Tour von The Red Devils, Peters Lieblingsband aus „Späte Rache“. Und das dürften längst nicht alle gewesen sein.
Nun ist gerade der „Karpatenhund“ eine der zwar beliebtesten, aber auch umstritteneren alten Folgen, da – in Deutschland lediglich in der ersten Übersetzung nachlesbar – wahrhaftig übernatürliche Phänomene eine Rolle spielen, was in der Serie ansonsten komplett unüblich ist, besser: nahezu komplett, schließlich lässt Frau Carey im „Narbengesicht“ eine Frau Zukunftsvisionen haben. Von ihrem „Bergmonster“ einmal ganz abgesehen. Ebenso von André Minningers „Zeitreisenden“, die Jahrzehnte später einen solchen Effekt komplett vergurkt. Jedenfalls lässt der Esofreak im Buch seinen Astralkörper auf Wanderschaft gehen, was einige der Spukeffekte erklärt, jedoch wandelt Übersetzerin Leonore Puschert diesen Umstand ab der zweiten Buchauflage in Schlafwandeln um. Das Mandala aus der zweiten Version lässt der Film komplett weg, ebenso den Geist in der Kirche, der ab der Zweitauflage ebenfalls eine Umdeutung erfährt. Dafür übernimmt Dünschede hier die Hörspiel-Variante des namens der Neugierigen, die hier also Boogle, nicht wie im Buch Boggle heißt.
Ganz angenehm okay ist hier die punktierte Verwendung von moderner Musik. Im Abspann gibt es einen Schlager zum Thema, das spricht ein jüngeres Publikum eher an. Immerhin verzichtete man auf den Einsatz der Band Karpatenhund. Mehr als okay ist die Auswahl der Darsteller: Mit Ulrich Tukur, Sunnyi Melles („Triangle Of Sadness“) oder Jördis Triebel ist der Film hochkarätiger besetzt, als es die Umsetzung dieser Nerdreihe erwarten ließ, so populär sie auch geworden sein mag. So ist dieser Film ein solides Vergnügen, an dem man als altgewordener Fan der frühen Tage eine Menge Genuss haben kann.
Man sollte überdies bis nach dem Abspann sitzen bleiben, weil man dann einen Teaser für den zeitgleich abgedrehten, für den Januar 2026 angesetzten dritten Teil „Toteninsel“ gezeigt bekommt. Ambitioniertes Vorhaben, den ersten Dreiteiler der Reihe in einen anderthalbstündigen Kinofilm quetschen zu wollen, ist doch das Hörspiel bereits trotz Kürzungen doppelt so lang. Das kann indes auch gutgehen, ist doch Buchautor André Marx an allen drei Filmen beratend beteiligt. Dennoch, als das Hörspiel vor 25 Jahren erschien, hatte das Vollplaybacktheater die Ehre, es parallel auf die Bühne zu bringen, und diese Umsetzung war unantastbar gut gelungen. Ob also der dritte gemeinsame Film den zweiten so übertreffen kann wie der zweite den ersten, ist durchaus möglich, aber nicht vorausgesetzt.