Von Matthias Bosenick (30.11.2015)
Das ist eine Überraschung, dieses Album: Sollte man die Band Dead Guitars überhaupt jemals wahrgenommen haben, dann vermutlich eher im Vorbeilesen oder so. Waverocker aus Deutschland, eine noch junge Band zudem, wer braucht das, der seine Sammlung mit The Mission, den Sisters Of Mercy, den Fields Of The Nephilim, The Cure, Killing Joke, Joy Division und weiß der Geier wem noch so alles gut gepflegt und bestückt hat. Denkt man. Und bekommt dann dieses angenehme Stück Musik dargereicht, das mit fast jedem Song positiv überrascht. Einziges Manko: Das Album ist so vielfältig, dass man der Band keine rechte Individualität und Wiedererkennbarkeit attestieren kann. Schlechter macht dies „Shelter“ aber nicht.
Man hört hier eine Art Best-Of der oben genannten Einflüsse. Der Opener „Heaven Seven“ klingt wie Transmission mit Gesang. Die Trompeten, die The Cure immer wieder herauskramten, ertönen ähnlich unter anderem in „Happy Sad“. In „Half Light/Hangout In Heaven“ driftet die Band von groovendem Bass getragen in britische Psychedelik ab, und auch das passt ins Konzept, schließlich waren die ersten Gruftrocker von Bands wie Pink Floyd inspiriert. „I Surrender“ könnte, besonders wegen der stimmlichen Ähnlichkeit, von einem weiteren Waveeinfluss stammen, von David Bowie nämlich. Auch die Beatles mag man im Hause Dead Guitars hörbar gern. Und bei „Mandy’s House“ verliert sich das Quintett in eine shoegazerige Rotation.
Dem Genre entnommen ist der Umstand, dass schnelle Songs nicht automatisch mehr Fröhlichkeit bedeuten: Der melancholische Gesang holt die Stücke auf den Boden, begeht aber nicht den Fehler, jammerig-wehleidig zu sein. Bei aller Reminiszenz vermeidet es die Band auch, direkt zu kopieren. Sie mixt die Zutaten zu neuen Songs, die eben diese angenehmen Erinnerungen auslösen. Latent langweilig werden sie maximal in „Bullet Proof“ und „Wooden Head“, wenn die Musik mit starrem Blick auf frühen Wave-Pop etwas arg zu sehr ins Dudelige geht. Angenehm ist, dass sich die Band von angesagten modernen Strömungen fernhält; gestrig klingt sie deshalb aber nicht, eher zeitlos.
Nun hat man es bei den Dead Guitars mit keinen Unbekannten zu tun, und mit Newcomern schon mal gar nicht. Die Bandgründer Carlo van Putten, Ralf Aussem und Peter Brough kennt man von Twelve Drummers Drumming sowie The Convent, die Neuzugänge Hermann Eugster und Kurt Schmidt stammen ebenfalls von den Twelve Drummers Drumming. Der Umstand, dass sich die Dead Guitars bei vornehmlich britischem Wave bedienen, trug entsprechende Früchte, indem Wayne Hussey und Mark Gemini Thwaite von The Mission sowie Michael Dempsey von The Cure auf früheren Alben mitspielten. So nimmt es nicht Wunder, dass die Dead Guitars vornehmlich in Großbritannien auf offene Ohren stoßen. Auch nicht ohne Nachvollziehbarkeit ist übrigens der Gastbeitrag von Indie-Noiserock-Produzenten Guido Lucas auf dem Debüt.
Ohren riskieren sollte man in jedem Fall, auch wenn „Shelter“ zunächst stilistisch wenig stringent zu sein scheint. Man bekommt wenigstens etwas Gutes, man verschwendet keine Zeit, wenn man sich diese Stunde Musik gibt. Und das auch gerne öfter.