




Von Matthias Bosenick (29.11.2025)
Von wegen lediglich „Der Fluch des Rubins“: Das Wuppertaler Vollplaybacktheater remixt die Hörspiele der Drei Fragezeichen zu einem schlüssigen neuen Track und hangelt sich beinahe lediglich in Grundzügen an der genannten Geschichte entlang. Abgesehen von den üblichen sonstigen Film- und Netzfunden, die das Ensemble in die Tonspur einbaut, begeistern an diesem Stück insbesondere die unendlichen Bezüge zu den Rocky-Beach-Hörspielen. Und die wiederverwerteten Klassiker-Gags. Ein Fest! Auch beim 25. Mal.
Eine Show des Vollplaybacktheaters zu besuchen, ist wahrhaftig wie eine Heimkehr, wie der Besuch von Lieblingsverwandten, der nur deshalb lediglich einmal im Jahr erfolgt, weil sie zu weit weg wohnen, deren Begegnung aber stets und immer die größtmögliche Glückseligkeit mit sich bringt. Und der deshalb immer viel zu kurz ausfällt. Gottlob darf man darauf bauen, dass es ein nächstes Mal geben wird.
Alles davon ist herzerwärmend vertraut: Die Tonspuren ja sowieso, sofern man die Hörspiele der Drei Fragezeichen seit über 40 Jahren hört, klar. Die Musik, ja, hier kommt sogar Carsten Bohn zum Einsatz. Aber auch die Gesichter, man trägt das Ensemble des VPT seit fast 30 Jahren im Herzen, aus dem Stand nahmen die Antlitze der Juniordetektive aus Rocky Beach beim Wiederhören die der Wuppertaler Schauspieler an, mehr als die der Sprecher, deren Aussehen man ja auch hinlänglich kennt. Jede Bewegung, jede Eigenwart, sie sind einem so immens vertraut, dass es zu Tränen rührt, sobald man sie überhaupt wieder auf der Bühne erlebt. So fühlt es sich an, nach Hause zu kommen.
Für den zusätzlichen Nach-Hause-Kick sorgt das Vollplaybacktheater, indem es die ausgewählte Geschichte, zu der es auf der Bühne stimmbandschonend die Lippen bewegt, mit allerlei anderen Vertrautheiten anreichert, und selbst, wenn sie einem mal nicht vertraut sind, erfreut man sich doch an dem neuen Kontext, den sie erzeugen. Dieses Remixen vollführen die Wuppertaler so minutiös, dass es zwei Sorten von Aufmerksamkeit gleichzeitig einfordert: einmal, um dem Verlauf der Handlung und der Gags zu folgen, und dann, weil man versucht ist, jede Originalquelle wiederzuerkennen. Was einem nie gelingen wird, aber es spornt den detektivischen Sinn der Zuschauenden an.
Beim Erstellen solcher Passagen hilft dem Ensemble sein schier unbegrenztes Assoziationsvermögen. Und die unendlich große Datenbank, auf die es zurückgreifen kann. Bevor die Hauptgeschichte losgeht, stückelt das VPT allerlei ähnliche Situationen rund um tante Mathilda und den Schrottplatz von T „Punkt“ Jonas aus den Hörspielen zusammen und schaltet sie in eine nachvollziehbare Reihe. Da geht es schon los mit der Raterei: War das Sample gerade aus „Der rasende Löwe“? Oder das nächste aus „Die singende Schlange“? Peters Irrtum, bei „Superpapagei“ Blacky handele es sich um eine Taube, stammt ganz gewiss aus „Die Perlenvögel“. Neuere Dialoge um den titelgebenden Rubin entnahm die Truppe der Folge 200, „Feuriges Auge“, der Fortsetzung dieses Klassikers.
Und die anderen Einschübe? Indiana Jones erkennt man, Die 5 Freunde rufen an, kurioserweise mit dem Titelsong der Siebziger-TV-Serie, nicht der Europa-Hörspiele. Hui Buh ist klar. Und der eine Anruf, ist das aus „The Call – Leg nicht auf!“? Justus wartet auf einen Rückruf aus der Telefonlawine, es klingelt, Bob schaltet den Verstärker an, eine Stimme sagt: „Wenn du jetzt auflegst, bringe ich dich um“, und Justus legt schultertzuckend auf. So geht das mit den Vermengungen beim VPT.
Auch auf die Best-Of-Wiederholungen freut man sich, „nicht mein Bier“ kommt aus „Die singende Schlange“, die unendlichen Eissorten sind eine private Quelle, mit „den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen“ zitiert Peter John Sinclair, und Peters Zählversuche aus „Der Superpapagei“ und das anwachsende Alter des Chinesen Won aus „Der grüne Geist“ sind ebenfalls willkommene Wiederholungen, wie Lieblingshits im frischen Liveset der Lieblingsband. „Jetzt klingt’s hohl“ aus „Das Gespensterschloss“ fehlte, das kommt dann nächstes Mal wieder unter.
Dafür hatte Mentor Alfred Hitchcock dieses Mal eine tragendere Rolle, überzeugend personifiziert zudem. Dessen Sprecher Peter Pasetti vermisst man seit seinem Tod, ihm konnte bisher kein neuer Erzähler das Wasser reichen. Hitchcocks Brieflese-Wettstreit mit Justus ist eine weitere Krone der VPT-Samplingkunst. Ewas, das das Ensemble dieses Mal sogar noch besser hinbekommt als sonst, ist das Timing: Ein eingeschobener Gag, etwa mit einem zitierten Radiohit, endet, sobald die Pointe zündete, und walzt sich nicht endlos aus. Das erhöht das Tempo und steigert die Schlagzahl der guten Ideen.
Gewöhnen muss man sich indes daran, dass einige tragende Figuren dieses Mal andere Gesichter haben, Justus und Bob etwa. Deren Schauspieler überzeugen zwar, aber es ist beinahe so schwer zu akzeptieren, als hätten sie plötzlich andere Sprecher. Nicht schlimm, schließt man halt neue Gesichter ins Herz. Und hofft, dass die Charaktere bei der nächsten Tour wieder vertraut besetzt sind. Die wird man als treues Familienmitglied auf jeden Fall auch wieder besuchen wollen. Ein Gedicht!
Vollplaybacktheater-Touren seit 1997, gesehen [verpasst]:
[– Das Geheimnis der Särge 1997]
[– Der Superpapagei 1999]
– Die rätselhaften Bilder, FBZ Braunschweig 1999
– Das Geheimnis der Särge, FBZ Braunschweig 1999
– Das Leichenhaus der Lady L., FBZ Braunschweig 12.01.2000
– Toteninsel, FBZ Braunschweig 2000/2001
– Toteninsel, FBZ Braunschweig 20.10.2001
[– John Sinclair meets Hanni & Nanni 2002]
[– Hanni & Nanni go Space 2002]
– Banditen, Bars & Butterbrote (Hanni & Nanni vs Edgar Wallace: Das Gasthaus an der Themse), Jolly Joker Braunschweig 19.11.2003
– Die singende Schlange, Brunsviga Braunschweig 21.10.2004
– Das Gespensterschloß, Brunsviga Braunschweig 11.10.2005
– Der Teufelsberg, Capitol Hannover 11.05.2006
– Der Superpapagei, Staatstheater Braunschweig 09.05.2007
– Den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen Clubtour (John Sinclair: Das Horror-Schloß im Spessart), Brunsviga Braunschweig 13.05.2008
– Die bedrohte Ranch, Capitol Hannover 04.11.2008
– TKKG: Das Paket mit dem Totenkopf, CD-Kaserne Celle 14.03.2010
– Der Karpatenhund, Cäciliensaal Oldenburg 12.03.2011
– Die schwarze Katze, Lindenhalle Wolfenbüttel 17.04.2012
– Niemals geht man so ganz (Der Superpapagei), Lindenhalle Wolfenbüttel 26.11.2012
[– Hinterm Horizont (John Sinclair: Das Horror-Schloß im Spessart) 2013]
– Pulp Fiction, Rudolf-Steiner-Schule Wuppertal 12.03.2015
– Der Phantomsee, Theater am Aegi Hannover 01.03.2016
– Der grüne Geist, CongressPark Wolfsburg 22.02.2017
– Das Gespensterschloß, CongressPark Wolfsburg 15.02.2018
– Sherlock Holmes und die Liga der außergewöhnlichen Detektive, CongressPark Wolfsburg 14.03.2019
– Helden der Galaxis, Lindenhalle Wolfenbüttel 04.03.2020
– Der heimliche Hehler, Lindenhalle Wolfenbüttel 10.02.2024
– John – „Den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen“-Tour, Theater am Aegi Hannover, 07.11.2024
– Der Fluch des Rubins, Lindenhalle Wolfenbüttel 28.11.2025
