Von Matthias Bosenick (04.04.2015)
Der vierte Film der Brenner-Reihe, gedreht nach dem sechsten Buch der inzwischen achtbändigen Krimiserie von Wolf Haas: In „Das ewige Leben“ stolpert der Ex-Polizist Simon Brenner (wie immer gespielt von Josef Hader) durch sein altes Leben, als er aus prekären Gründen in seine Heimat Graz zurückkehrt, und muss sich mit seinem Suizid, einer möglichen Vaterschaft und diversen Todesfällen befassen. Das bewährte Team (inklusive angemessener Musik der Sofa Surfers) dreht einen soliden Film, der für sich als Krimi mit vielen Aha-Momenten funktioniert, aber den Brenner etwas zu kurz kommen lässt.
Die Brenner-Bücher galten seit jeher als unverfilmbar. Als Wolfgang Murnberger im Jahr 2000 mit „Komm, süßer Tod“ (der dritte Roman) den ersten Versuch wagte, schuf er gegen alle Erwartungen den bis dato erfolgreichsten Film der österreichischen Geschichte. Und belegte, dass es möglich ist, aus der eigenwilligen Literaturvorlage etwas Visuelles zu extrahieren. Es folgten 2004 „Silentium!“ (Band vier) und 2009 „Der Knochenmann“ (Band zwei). Bis dahin kannte der Rezensent die Romanvorlagen nicht, sondern bewertete die Filme ohne ihre literarische Bezugsgröße. Bei „Das ewige Leben“ ist dies nicht mehr so, da ist dem Rezensenten die Vorlage vertraut, und entsprechend schwierig ist es für den Film, mit den Erwartungen Schritt zu halten.
Was die Unverfilmbarkeit ausmacht, ist die Sprache, und die ist auch ein wesentlicher Grund, die Romane zu lesen. Ein namenloser, aber als Person existierender omnipotenter und dennoch leicht naiver Erzähler berichtet in einem abgehackten Satzbau von den abstrusen Geschehnissen. Abgesehen vom typischen Intro-Satz „Jetzt ist schon wieder was passiert“ fließt diese eigenwillige Sprache in die Filme jedoch nicht ein. Die Romane indes weisen eine wellenförmige Qualität auf: Besonders die verfilmten sind großartig; einigen anderen merkt man allerdings an, dass Haas sich dazu gedrängt gefühlt haben mag, einen neuen Roman abzuliefern, und den mit eher konstruiert-gekünsteteln Absurditäten streckte. Insofern ist eine Filmumsetzung grundsätzlich sinnvoll, deren Drehbuch die Story, die nun mal trotzdem in jedem der schwarzhumorigen Bücher steckt, auf eine Weise aufzuarbeiten, die eine spannende Kriminalthrillergeschichte als Ergebnis hat. So ist es vorwiegend auch bei „Das ewige Leben“ geworden.
Darin kommt Brenner arbeits- und obdachlos in seinen Grazer Heimatstadtteil Puntigam zurück und trifft auf zwei frühere Begleiter, von denen einer Antiquitätenhändler und der andere der Leiter des Landeskriminalamtes ist. Ein vierter aus dieser Runde starb bei einem versuchten gemeinsamen Banküberfall. Davon erzählt der Film in 70er-ästhetischen Rückblenden, die die Handlung ausbremsen und die man erst versteht, wenn man das gesamte Bild kennt; dafür sind sie ein angemessenes Äquivalent der literarischen Vorlage. Brenner setzt sich nun während eines heftigen Migräneanfalls eine Kugel in den Kopf und glaubt hinterher, dass man ihm den Suizidversuch nur einreden wollte. Er macht sich an zaghafte Ermittlungsarbeiten und wird dabei von externen Aktivitäten überholt. Vielmehr stolpert er durch den Plot und erkennt allmählich überraschende Zusammenhänge. Es kommt zu einer großartigen Verfolgungsjagd.
Eben diese Komplexität trägt den Film und macht es spannend, ihn zu sehen. Brenners im oft schwierig zu verstehenden Österreichisch gebellte Passagen sind die besten Momente, aber leider sind sie vergleichsweise rar. Im Rahmen der Story treten andere Figuren in den Vordergrund, die aus „Das ewige Leben“ eben vornehmlich einen soliden Kriminalfilm machen. Solide, mit einigen Schwierigkeiten; Nora von Waldstätten ist in ihrer Rolle sehr ambivalent und daher nicht überzeugend. Die zielstrebige Killerin, die seriöse Ärztin, die unterwürfige Gattin, die Party-Maus, das fügt sich nicht recht zusammen.
Und dann sind da die fehlenden Elemente. Im Roman hat Brenners Suizidversuch eine größere Bedeutung, weil nicht klar ist, ob er sich selbst den Kopfschuss beigebracht hat; das ist für ihn der Ausgangspunkt dafür, überhaupt Ermittlungen anzustellen. Diverse Zusammenhänge im Film lassen sich auch nur dann flüssig nachvollziehen, wenn man Kenntnis über den Romanverlauf hat. Dennoch gelingt es Murnberger, den Film so weit auszuarbeiten, dass er auch für sich funktionieren kann. Letztes fehlendes Element ist der Tod des Erzählers, der im Film nun gar nicht stattfindet. Da ist Weglassen vermutlich wirklich die am besten umzusetzende Variante.
In Summe bedient „Das ewige Leben“ Humor- und Krimi-Freunde gleichermaßen und Brenner-Fans, von denen es auch im Norden Deutschlands einige gibt, immerhin ausreichend. Hader ist einfach bombastisch in der Rolle. So gehen Helden.