Von
Matthias Bosenick (06.01.2020)
Der Düsterpunk ist
gnatzig, und die Gegenwart gibt ihm Recht dazu. Auf seiner neuen EP
„Wohnhaft in der Leckt-Mich-Allee“ zieht er das Tempo und die
Aggressivität seines gothicbefeuerten Elektropunks an, und textlich
zieht er einen Kreis um sich herum, besser: um die rechtsgerückte
Welt um sich herum. Dies vollbringt er weniger anklagend als
beschreibend und vergisst dabei nicht, dass man dazu auch pogen, mit
dem Kopf nicken oder drei Schritte vor und drei zurück gehen können
sollte.
Die
deutsche Nachbarschaft, der Klimawandel, die Auswirkungen sich
wiederholender Lebensabläufe auf die Persönlichkeitsentwicklung
(dafür braucht Dan Scary beinahe lediglich die zwei
gegenübergestellten Wörter „Monotonie“ und „Stereotyp“),
Nationalstolz, Regierungsversagen: Mitnichten ist dem Solomusiker
seine Welt so egal, wie der Titel es vermuten lässt. Ja, die Welt
ist Scheiße, und gelegentlich braucht man seine Ruhe vor ihr, um
nicht komplett zu verzweifeln, aber dann zieht Scary auch wieder los,
um auf das zu deuten, was in seinen Augen schiefläuft, und
bereitwillig stimmt man darin mit ihm überein. In seinen Texten ist
er zwar konkret, aber nicht anklagend; man kann dies bald als
poetischen Kniff betrachten.
Weniger poetisch ist Scarys
Musik: Getrieben von einem Drumcomputer, drückt sich sein Unmut in
tiefgestimmten Bratzgitarren und erheblichem Tempo aus. Da
kollidieren seine zwei Wurzelwelten Goth und Punk nicht, sondern
fusionieren. Dazu wirft Scary den Achtziger-Synthie an und lässt die
Sequenzen pluckern, wie in den ersten Jahren der Neuen Deutschen
Welle. Doch wischt er mit seinem tiefen Gesang die Assoziation zu
schlageresken Auswüchsen sofort beiseite. Eine etwas versiertere
Produktion hätte das Fette an den Songs sicherlich besser
herausgearbeitet, aber hier zählt insbesondere die Haltung, und da
ist es erleichternd, zu wissen, dass man in einem Land voller Trolle
und Schlimmerem nicht allein ist.