Von Guido Dörheide (07.05.2022)
Rhythmischen Sprechgesang aus dem US-amerikanischen Prekariat fand ich traditionell immer scheiße. Ich war 11 oder 12, damals in den 80ern, als mein Mitschüler Holger P. im Musikunterricht der Erich-Kästner-Orientierungsstufe zu Gifhorn ein Referat über Kurtis Blow hielt – und ich hörte zum ersten Mal in meinem Leben jemanden rappen. War geplättet, hatte sowas noch nie gehört, dachte aber gleichzeitig, das muss ich jetzt nicht wirklich gut finden, vergaß Kurtis Blow, hörte Cure, Sisters Of Mercy, Mission und Christian Death und dann – wenige Jahre später – kam mein vermeintlich kleiner Cousin Holger (HipHop und Holger – das gehört also irgendwie zusammen), der mich in die faszinierende Welt von House Of Pain (inkl. Konzertbesuch in Hamburg), Cypress Hill, Ice-T und später auch Wu-Tang-Clan einführte – danke, Holger, dafür!!! Damals wollte ich Alternative-Musik mit Stromgitarre und Haare über die Augen und nicht Sachen hören wie „Insane in the brain. Insane in the membrane. Don‘t you know I‘m loco… locooooo!!!“
Erst Jahre später habe ich erkannt, wie sehr B-Real und Sen Dog damals den Zustand der Welt in schön klingende Worte gefasst haben. Und DJ Muggs hat immer zuverlässig die Beats dazu geliefert. Cypress Hill haben den Wunsch nach der Legalisierung von Cannabis auf der einen und den Frust über die Unterdrückung der „Non-WASP“-Bevölkerung der US of A auf der anderen Seite immer glaubwürdig unter einen Hut und auf den Punkt gebracht. Und zusätzlich zur Perspektive der unterdrückten Afro-amerikanischen Bevölkerung, haben sie den Fokus auf die Hispanics gelenkt, die in L.A. einen großen Bevölkerungsteil stellten und immer noch stellen. Mich hat damals der Flow und die Stimme von B-Real – dieser typisch näselnde, cannabisverherrlichende Sprechgesang, zum entschiedenen Befürworter von Cypress Hill gemacht, – und dieser schleppende, verschlurfte, mit irgendwelchem Gebimmel durchsetzte Beat, wie ihn nur Muggs auf die Reihe kriegte.
Jetzt ist über 30 Jahre später, und ich lade das neue Cypress-Hill-Album auf meinen mp3-Player und bin gespannt.
Und hier erstmal Überraschung – das Album ist nicht von Muggs produziert, sondern von Black Milk. Und der trifft den trockenen Ton der Beats und die allgemeine Düsternis, die ein Cypress-Hill-Album auszeichnet, glücklicherweise ebensogut. Dass Cypress Hill sich immer für „Legalize it“, Stoned Raiders, Hits from the Bong etc. stark gemacht haben, ist vielleicht toll, hat aber für mich niemals die Faszination ausgemacht, die ich seit nunmehr 30 Jahren mit der Band verbinde. „How I Just Could Kill A Man“ war damals – 1991 – ein Hammerteil, „Insane In The Brain“ füllt seit knapp 30 Jahren zuverlässig die Tanzflächen.
Und was machen die jetzt im Jahr 2022 auf „Back In Black“? Zugegebenermaßen einem Albumtitel, der ihnen um die Ohren geschlagen gehört. Es gibt nur ein „Back In Black“, und das gehört AC/DC, 1980.
Aber davon abgesehen: Das Album ist kurz, dunkel, weist knochentrockene Beats auf und auf dem letzten Track – „The Ride“ – lassen sie das unsterbliche „Illusions“ des dritten Cypress-Hill-Albums „III – Temples Of Boom“ wiederauferstehen: „Some People tell me that I need help – some people can fuck off and go to hell.“ Schön, dass Cypress Hill wieder / immer noch da sind.