Von Matthias Bosenick (15.10.2018)
So vielfältig kann es ausfallen, wenn eine Band immer das Gleiche macht: Das Stilspektrum muss nur weit genug gefächert sein, dann ist auch ein neues Album, das sich beim bisherigen Oeuvre bedient, trotzdem reichhaltig. Für die Cowboy Junkies bedeutet dies: Folklore und Alternative Country, Walzer, Indierock, dargereicht sowohl in fragiler Schönheit als auch in dronigen, schweren Rocksongs. Da kann einem noch so viel bekannt vorkommen, das neue Album ist so abwechslungsreich, dass man es dennoch mit Freude genießt.
Die Fragilität, mit der man die Cowboy Junkies seit 30 Jahren verbindet, fußt auf den damals erschienenen zweiten Album „Trinity Sessions“, in einer Kirche eingespielten Songs, so zart und bisweilen traurig, dass man der Band gar nicht so etwas wie Subversivität oder Aggressivität zugetraut hätte – und dabei stammt das nicht nur durch einen Soundtrack bekannteste Stück jenes Albums „Sweet Jane“ von den definitiv subversiven Velvet Underground. Mit diesem Werk im Ohr, wunderte man sich über die Jahre, dass die Cowboy Junkies auch mal den Gitarrenverzerrer einschalteten, die Songs durchgehend nicht glasklar spielten, sondern mit dronigen Störsounds arbeiteten, oder dass Margo Timmins sich nicht scheute, auch mal „Fuck“ zu singen. Genau, das macht die Cowboy Junkies aus, und genau das, nicht wortwörtlich vielleicht, bekommt man auch auf „All That Reckoning“.
Schönheit liegt nicht zwingend in Glattheit, und die Cowboy Junkies wissen, wie sie mit unerwarteten Gitarrensounds ihre eigentlich wunderhübschen Songs torpedieren können, ohne sie zu zerstören, sondern ihnen vielmehr eine zusätzliche Schönheitsebene zu geben, die sie von anderen Stücken schlichtweg unterscheidet. Mit der zaghaft wirkenden Stimme gaukelt Margo Timmins eine Verletzlichkeit vor, die die Musik nicht transportiert; destruktiv ist diese mitnichten, kann aber genau so leicht, wie sie klingt, auch mal schwer werden, wuchtig, dröhnend. Und dann freut man sich, weil so eine komplett ruhige Platte gibt’s von den Kanadiern ja schon, da können sie ruhig häufig unruhig werden.
Seit 1986 macht die Timmins-Familienbande als Cowboy Junkies Musik, „All That Reckoning“ ist Album Nummer – irgendetwas zwischen 16 und 18, je nach Zählweise. Nach jener gehört „Notes Falling Slow“ von 2015 nicht dazu, weil es drei Wiederveröffentlichungen älterer Alben beinhaltet, aber als viertes eine CD mit unveröffentlichten Stücken aus der Zeit, die im Grunde wiederum ein Album ergeben (und die Bonus-EP „‘neath The Covers“ ausspart). Aber so sind eben die vier Alben der „Nomad Series“ von 2010 bis 2012 die Vorgängeralben von „All That Reckoning“. Ist ja auch egal: Jedes Album lohnt sich.