Von Matthias Bosenick (13.02.2025)
Die Ankündigung ist spannender als die Musik, leider: Clouds startete 2013 als einmalig gemeintes Solo-Doom-Metal-Projekt mit Gästen, das sich schnell zu einem Sammelbecken der Szenestars entwickelte und das heuer mit „Desprins“ sein sechstes Studioalbum präsentiert, nunmehr als rein rumänische Band. Heißt: Growls und tiefe Gitarrenriffs – zu Kitsch-Keyboards und Pathos-Flöten. Trotz für Ungeübte unbequem anzuhörender Stimme ist die epische Mucke reichlich gefällig. Da war bei der Konstellation weitaus mehr Kompromisslosigkeit zu erhoffen gewesen.
Gitarre, Bass und Schlagzeug schleppen sich episch durch die dunkle Nacht, dazu growlt Bandkopf und einziges konstantes Mitglied Daniel „N“ Neagoe aus tiefstem Halse, ab und zu auch mal klar wie Mikael Åkerfeldt. Synthies, Piano und Flöten weben Kitsch in den gelangweilt riffenden Doomteppich ein. Jeder Akkord, jede Melodie, alles klingt nach Radio, nach Pop Meets Classic in Dur, nach Ohrschmeicheleien, man ist beinahe geneigt, zu sagen: nach Schlager. Das kennt man seit Jahrzehnten vom Gruftinachwuchs: niederschwellig getriggerte Emotionen, Wiedererkennbarkeit auf kleinstem gemeinsamem Nenner, simpelst vertonter Weltschmerz, allgemeingültige Seelenpein unter vorgegaukelter Tiefgründigkeit. Dazu ein Metal, der sich keine Mühe gibt: simple Riffs, ab und zu mal beschleunigte Bassdrums, Hauptsache irgendwie tieftönig. Keine Überraschungen, und dann auch noch so glattpoliert, dass die Mucke nicht mal Ecken und Kanten hat.
Okay, vier Überraschungen gibt es: Im letzten Drittel des zweiten Songs „Life Becomes Lifeless“, also nach über zehn Minuten Album-Spielzeit, fällt Neagoe plötzlich in den höheren Klargesang. Erstmals, nicht letztmals. Nach der Hälfte des vierten Songs „Forge Another Nightmare“ kippt der Grundakkord plötzlich um einen Halbton, das ist interessant, und danach beginnt Neagoe kurz, mit grufttiefer Peter-Steele-Stimme zu murmeln; abermals erstmals, nicht letztmals. In „Chain Me“ an Position fünf gibt’s tiefe Friedhofsglockenschläge. In „Sorrowbound“, dem achten Song und ersten von zwei Bonus-Tracks, solieren Twin-Guitars zu Flötentönen. Das war’s, bei neun Tracks in einer Stunde, der Rest malmt wie beschrieben vor sich hin.
Der aus Timișoara in Westrumänien stammende Neagoe wollte 2013 einfach nur ein Album als Clouds herausbringen. Jenes „Doliu“ erschien dann im Jahr darauf, bereits umgesetzt von Leuten aus ganz Europa, also Schweden, Finnland, Färöer, Niederlande, Bulgarien, Griechenland, und von Bands wie Crippled Black Phoenix, Shape Of Despair, Scar Symmetry oder Officium Triste ausgeborgt; Clouds galt seitdem als Band mit Sitz in London. Synthies, Geigen und Flöten kamen erst 2016 beim Nachfolger „Departe“ ins Spiel, seitdem wechselten die Besetzungen in unterschiedlichem Tempo. Das vorletzte Album „Despărțire“ war das letzte mit Gästen, seit 2021 ist Clouds nun ein rein rumänisches Projekt, mit Bassist Alex Costin, Gitarrist Mihai Dinuta, Flötist Andrei Oltean, Schlagzeuger Casian Vlad, Gitarrist Alex Gheorghe und Violinistin Corina Gheorghe. Auch wenn einige von ihnen eine lange Liste an Neben- und Vor-Projekten haben, reicht keiner an Neagoe heran: Nicht nur gründete er 2010 mit Eyes Of Solitude einen Clouds-Nebenarm mit ähnlicher Ausprägung, auch ist und war er Mitglied bei Bereft Of Light, Cursed Cemetery, Daius, God Eat God, Mourners, Obseqvies, Ustkara Ghost, Deos, Fogland, My Shadow, Vaer, Winter’s Eve, Colosus, Aeonian Sorrow, Aphonic Threnody, Ennui, Genune, Gothic, Mistralth, Pantheïst, Pathogenic Virulence, Shape Of Despair, Sidious, Unfathomable Ruination, Tableau Mort und Tiarra, bisweilen unter Aliassen wie Klepsy, Colosus, Dark Raven oder Khrud. Uff!
Man wundert sich, dass bei dieser Verzweigung mit „Desprins“ – ja, alle Albentitel bestehen aus einem Wort und beginnen mit D – ein so mediokres Album herauskommt. Punkrock geht anders! Mit Etiketten wie Funeral Doom, Death Doom, Doom Metal oder Melodic Death Doom um sich zu werfen, weckt zwar hohe Erwartungen, macht aber keine bemerkenswerte Musik. Merkwürdig genug, dass Aspekte wie „Folk“, „Symphonic“ oder „Orchestral“ bei der Eigenbezeichnung gar nicht vorkommen. Dunkelheit ist hier jedenfalls kaum mehr als eine Maske mit verkaufsfördernder Bemalung, aber nichts, was man wahrhaftig empfinden kann.