Von Matthias Bosenick (04.10.2015)
Die Idee ist respektabel, die Drei Fragezeichen als Comic zu visualisieren. Das Medium fehlte im ???-Kosmos bislang noch, nach Büchern, Hörspielen, Theaterstücken, Live-Hörspielen und Filmen. Der Titel ist großartig, „Der dreiäugige Totenkopf“ verspricht eine Menge. Doch leider… Die Story ist unkompliziert, immerhin ist die Lösung in sich schlüssig und gelungen. Der unangenehmste Aspekt sind jedoch die Zeichnungen. Christoph Tauber mag renommiert sein, eine gute Wahl für dieses Projekt ist er nicht.
Zunächst die Geschichte: Ein Ex-Regisseur bittet die drei Detektive, einen zehn Jahre zurückliegenden Fall aufzurollen. Damals verschwand von einem Horrorfilmset ein echter Edelstein, der als Requisite eingesetzt wurde. Vier Verdächtige gibt es, weil es vier mechanische Monsterpuppen gibt, die an vier Projektbeteiligte verschenkt wurden, und die Ermittler davon ausgingen, dass der Smaragd in einer dieser Puppen vom Set verschwand. Wie richtig sie damit wirklich lagen, konnten die Ermittler seinerzeit nicht wissen, und letztlich gelingt es den drei Jugenddetektiven, sowohl den Smaragd zu finden als auch die Täterschaft aufzuklären.
Nun die Details, die sich nicht ohne Spoileralarm erläutern lassen. Es ist schon mal Unsinn, dass bei einem B-Movie ein echter Smaragd zum Einsatz kommt, wenn es doch möglich ist, den gegen eine Kopie auszutauschen, anstatt also gleich die Kopie zu nehmen. Auf der Leinwand wäre ein Unterschied sicherlich nicht auszumachen gewesen. Dann ist es extrem nachlässig, sich eine Heidenmühe damit zu machen, wie der Smaragd ausgetauscht wird, und dabei dann rechts und links zu verwechseln. Die Ermittlungsarbeit der Jungs wiederum erschöpft sich darin, herumzufahren und die Verdächtigen zu interviewen. Der Täter offenbart sich am Ende eher zufällig. Was den Smaragdfund betrifft, hilft ihnen ihre eigene Willkür, indem sie nämlich trotz erheblicher Müdigkeit ein Horrorfilmmuseum besuchen. Dabei ergibt sich zudem eine inhaltliche Ungenauigkeit: Das Museum entdecken sie auf der Rückfahrt vom Auftraggeber nach Rocky Beach, beim zweiten Besuch stellen sie fest, dass der Auftraggeber auf dem Rückweg vom Museum wohnt.
Die wesentlichen Komponenten dieses Falls sind aus vielen bereits bekannten Fällen zusammengesucht. „Die schwarze Katze“, die sogar einmal zitiert wird, ist exemplarisch für die Suche nach ähnlichen Gegenständen; alte Hollywood-Filme mit versteckten Verbrechen findet man im „Magischen Kreis“ und um „Labyrinth der Götter“. Mal ganz abgesehen von den unzähligen Fällen, in denen sich der Auftraggeber als Täter entpuppt und ein Mensch mit Maskenfähigkeit die juvenilen Ermittler in die Irre führt. Es ist nicht eindeutig, ob es sich hier bei diesen Reminiszenzen um Hommagen handelt oder um erzählerische Einfallslosigkeit.
Das größte Kriterium ist aber der Zeichenstil. Kosmos bewirbt das Buch als „Graphic Novel“, nicht als Comic. Darin allein liegt schon eine fragwürdige Entscheidung: „Graphic Novel“ schreit nach erwachsener Kunst, Comic nach dem Rest. Es ist ja ehrenvoll, die Drei Fragezeichen mit Kunst in Verbindung bringen zu wollen, doch schadet es der Tat nur, wenn man vor lauter Kunst das Sujet nicht mehr erkennt. Die Zeichnungen sind viel zu ungenau, um zum Thema zu passen. Wer böse ist, empfindet die Bilder nicht als kunstvoll, sondern schlichtweg als schlecht gezeichnet. Die Figuren sind uneindeutig, die Linien unvollständig, die Kolorierung beschränkt sich auf die Farbe Blau; was sich bei ernsthaften Themen sicherlich als stimmungsvoll erweist, geht hier voll nach hinten los, denn Stimmungen kommen hier nur schwer auf, weil man die Inhalte schlichtweg nicht erkennt. Dabei stellt sich die nächste Frage, was diese Geschichte nämlich mit sich bringt, dass sie diese Literaturform erfordert. Nur wenige hinweisgebende Elemente sind hier ausschließlich visuell angedeutet, was aufgrund des miesen Zeichenstils wiederum nur dann auffällt, wenn es inhaltlich thematisiert wird.
Natürlich lässt es sich diskutieren, welcher Stil hier passender wäre. Einerseits sind die Drei Fragezeichen als Kinder dargestellt, andererseits richtet sich die Darstellung an Erwachsene. Ein frankobelgischer Funny-Stil wäre sicherlich nicht angemessen, aber es gibt auch erwachsene Zeichenstile, die man deutlich erkennen kann. Und dann kann man die drei Fragezeichen auch älter darstellen. Und genauer. Selbst Onkel Titus und Tante Mathilda wirken hier viel zu jung. Ganz abgesehen von der uralten Diskussion, dass die visuelle Umsetzung von allgemeingültigen Lieblingsfiguren immer den Ruf nach sich zieht, der Leser habe sie sich ganz anders vorgestellt. Auch dieser Vorwurf greift hier; Justus sieht aus wie ein zu breit geratener unsympathischer Bengel mit Seitenscheitel, Bob und Peter lassen sich nur dann unterscheiden, wenn Bob seine Brille nicht abnimmt. Charakterlich und textlich sind sie alle mehr oder weniger eins; Lieblingswort der Autoren ist offenbar „korrekt“, das hier fast alle Figuren mal benutzen dürfen.
Immerhin bringt das Team Details aus früheren Fällen unter. Abgesehen von einem Wimmelbild auf dem Schrottplatz, auf dem die Cover der deutschen Veröffentlichungen, also von Aiga Rasch und Silvia Christoph, untergebracht sind, was wegen des Stils allerdings ein größeres Rätselraten erfordert als wegen der Gegenstände, findet man im Hintergrund mal ein Schild von „Sandler Records“, dem Laden, in dem Bob arbeitete, oder zupft Justus grübelnd an seiner Unterlippe, was man auch nur deshalb erkennt, weil man danach sucht. Auch die Dialoge sind okay, der Humor, so er denn vorkommt, passt. Grusel oder Spannung kommen hier, ganz wie in den zeitgenössischen Episoden, nur anfangs auf. Wie in den Hörspielen muss Peter einmal „unheimlich“ sagen, damit man auch begreift, dass es dies gerade sein soll. Der dreiäugige Totenkopf erscheint hier zudem nur als Titel eines Horrorfilms; das ist sehr schade, als Inhalt eines Falles klänge er viel gruseliger und verlockender.
Da kommt nach 50 Jahren also der erste Comic der Drei Fragezeichen auf den Markt. Nachdem es von den Drei Fragezeichen Kids bereits Zeichnungen gibt, ist dies der erste Versuch einer durchgehenden graphischen Geschichte. Löblich ist, dass es sich dabei um einen neuen Fall handelt; aber wer weiß, vielleicht wäre es doch interessanter gewesen, einen Zeichner mit einem klaren Strich einen alten Fall adaptieren zu lassen. Es muss ja nicht gleich à la Walt Disney sein; wenngleich sich die Geschichten des „Neuen Phantomias“ etwa ganz eindeutig an eine erwachsenere Leserschaft richten: mehr Tiefgang, mehr Gesellschaftskritik, mehr Gewalt, mehr Sex. Vielleicht sollte Kosmos auch endlich den Mut haben, die Drei Fragezeichen so erwachsen sein zu lassen, wie sie sich für den mitgewachsenen Hörer ohnehin darstellen.