Von Matthias Bosenick (16.04.2024)
Das muss man mögen: Eine Mischung aus den Beatles und Air machen Chicano Batman aus Los Angeles, und deren fünftes Album „Notebook Fantasy“ klingt noch schwüler, als es diese Mischung ahnen lässt. Lounge, Tropen, Schlager, Soul, Funk, Kitsch, Cocktailpartys und wattierte Sechziger- und Siebziger-Retroseligkeit bei moderner Produktion – geil gespielt, vielseitig komponiert und arrangiert, begleitet einen das Album in den pastelligen Sonnenuntergang, der Blick hinter der Sonnenbrille stets auf leicht gekleidete Vertreter des bevorzugten Geschlechts gerichtet. Ein klares Puh.
Man hört den Kaliforniern an, dass sie mit einem Bein in der alten und mit dem anderen in der neuen Welt stehen: Hier kommen englische Harmonien und französische Lounge mit tropischem Lebensgefühl zusammen, zumeist im Sound von vor mindestens fünfzig Jahren. Da ist alles drin, was man selbst gar nicht auf dem Schirm hat: etwas Funk und Soul, etwas Tropicália und karibische „Desposito“-Rhythmen („Lei Lá“), Beach Boys, Beatles, Air und sogar einmal etwas Synthiepop wie von den Pet Shop Boys (im Titellied), Psychedelik, Streicher („Parallels“), Chöre, Saxophon („The Way You Say It“), Kitsch, Easy Listening, Lounge, Reggae, ein Nuller-The-Band-Indierock-Rhythmus („Losing My Mind“), gedämmte verzerrte E-Gitarre („Beautiful Daughter“) und überhaupt ganz viel Watte, auch wenn es mal das Midtempo überschreitet. Was häufiger in die Gegenrichtung passiert, einige der zwölf Songs sind so heruntergedimmt, dass sie eher langweilen („Tears Away“, „Hojas Secas“, „Fairytale Love“). Nicht alles davon findet in allen Songs statt, sondern weit verteilt, das macht „Notebook Fantasy“ sehr abwechslungsreich. Zudem sind die Texte mal auf Englisch, mal auf Spanisch dargeboten.
Das machen sie alles supergut und überzeugend, und doch muss man sich schon öffnen für diese Musik, für diese Mixtur. Es spielt alles in Gesellschaften, denen man vielleicht nicht so nahe steht, möglicherweise, weil man entweder eine andere … Frisur hat oder einfach das etwas dünnere Portemonnaie. Wo hab ich nur gerade meine Yacht geparkt, egal, kaufe ich mir eine neue, Hauptsache, der Cocktail ballert und die Libido stimmt, und sag der Band nochmal, sie soll endlich mein Lieblingslied spielen, sonst werde ich ernsthaft sauer. Potentielle Lieblingslieder sind auf „Notebook Fantasy“ durchaus enthalten, auch wenn man dieser High Society nicht angehört, aber die sind dann jeweils stimmungsabhängig in der Favoritenliste. Ist das schon wieder schwül heute!
Die Band mit dem absonderlichen Namen Chicano Batman existiert seit 2008, auf dem Vorgängeralbum „Invisible People“ im Jahre 2020 war sie noch zu viert abgedruckt; Drummer Gabriel Villa ist hier nicht mehr dabei. Geblieben sind: Bardo Martinez (Gesang, Keyboards, Gitarre), Eduardo Arenas (Bass, Gitarre und Gesang) und Carlos Arévalo (Gitarre, Keyboards). Auf „Notebook Fantasy“ nicht enthalten ist übrigens die zwischendurch erschienene Single „Dark Star / Pastel Sunrise“. Da ist schon wieder nicht genug Minze im Mojito!