Von Matthias Bosenick (23.01.2025)
Dieses Album ist ein Hauch. Mit „64“ legt Singer-Songwriter Alberto Casadei aus Mercatino Conca in den Marken sein Debütalbum als Casademoni vor, das aus Songs besteht, die er bereits seit einem Dutzend Jahren in der Schublade hat. Obschon die Akustikgitarre das maßgebliche Instrument ist, mit dem er seinen introvertierten Gesang begleitet, gestaltet er einzelne Songs auch mit Synthies und Schlagzeug aus, durchbricht aber nie die Schallmauer, weder in Tempo noch in Lautstärke. Ein zurückgelehnter Einstand, perfekt für Kuschelzeiten im Winter.
Sicherlich verbreitet „64“ keine Partystimmung, aber als depressiv geht es nun auch nicht durch. Melancholisch vielleicht, ja. Eher reflektiert, introvertiert, im Idealfalle einfach entspannt und mit sich selbst im Reinen, obwohl Casadei sehr selbstkritische Themen bearbeitet. Er singt wie in Trance, warm, unaufdringlich, und auch sein Gitarrenspiel hält die Intensität dazu passend zurück. Für ausgewählte Songs, etwa den Opener „Quargo“ oder mittendrin „Phoenix“, generiert er eine Art Begleitband zu sich selbst, indem er Gäste hinzuzieht: die beiden Schlagzeuger Glauco Taddei und Luca Guidi sowie Andrea Cola mit Bass, Synthies und Bonus-Gitarren. Jene Synthies sind nicht zwingend flächig eingesetzt, in „Stay“ ersetzen sie ein warmweiches Piano.
So dicht gepackt sich das auch lesen mag, erhebt selbst eine üppigere Instrumentierung die Songs kaum aus einem Hauchen heraus, es ist eine Wohltat, dieses schleichende, gemütliche Album zu hören. Nun ist die Kategorie Singer-Songwriter gleichzeitig eindeutig definiert und ungenau: Casadei lässt sich weder mit Simon & Garfunkel noch mit Neofolk verbinden, er bettet sich dazwischen ein, auf seiner eigenen Wolke. Nicht mal den Shoegaze oder den Ambient kann man hier eindeutig als Etikett zur Anwendung bringen.
Laut Info sind viele dieser Songs bereits zehn, zwölf Jahre alt, abgesehen von den beiden Coverversionen „Modern Girl“ von Sleater-Kinney und „Death Of A Salesman“ von Low natürlich, und wurden zwischen 2021 und 2023 aufgenommen. Den Beteiligten gelingt hier dennoch ein Album aus einem Guss, das überdies die 30-Minuten-Marke nicht mal erreicht.
Das mit Casademoni ist natürlich ein lustiges Wortspiel für jemanden, der Casadei heißt – von Gott zu Dämonen, hihi. Oder zu Moni, was sympathischer wäre. Sein eigentliches Projekt ist die Post-Rock-Band Solaris, von der keiner der drei weiteren an „64“ mitarbeitete, Kollaborationspartner Andrea Cola von der Band Sunday Morning hingegen sehr wohl. Auch musizierte Casadei bereits mit der Post-Hardcore-Band LAMBS ‡. Zieht man unter diesen Infos einen Strich, mag man kaum glauben, dass dieser Lärmmensch ein so zartes Album wie „64“ in petto hatte. Aber gerade das macht ja solche Kreativen aus, diese Vielseitigkeit.