Von Matthias Bosenick (12.07.2023)
Die Schweizer Car Crash Weather haben etwas mitzuteilen, und das, obwohl ihr zweites Album „Terra Nostra“ instrumental gehalten ist: Die nur noch vier Musiker aus Zürich greifen das Thema ihres 2018er Konzept-Debüts „Secondary Drowning“ zunächst auf, nämlich Migration und Flucht, und leiten es über in ein weiteres – und hörbar besser produziertes – Konzeptalbum rund um das Zusammenleben der Menschen miteinander und mit der Natur. Konzeptalbum, das deutet schon in die musikalische Richtung, und richtig, Car Crash Weather machen Progrock, aber nicht nur, sie bündeln alles, was ihnen gefällt und was dazu in der Lage ist, musikalisch Emotionen und Bilder auszudrücken, Postrock, Waverock, Postmetal, und versetzen es mit Synthies und Samples. Bei dem Thema ereilt die Hörenden nicht selten der Eindruck, die Musik sei nicht nur klagend, sondern auch anklagend.
Kraftvoll ist die Musik des Quartetts gleichermaßen, wie sie fragil ist. Es gibt ambientartige Passagen, von Keyboards getragen, und sobald der Schlagzeuger wieder aus dem Käfig gelassen wird, legt der auch sowas von los. Die Drums sind der Teil dieser Musik, die dem Prog-Metal am nächsten kommen, solche Fills und punktierten Double-Bass-Brocken kennt man aus der brutaleren Prog-Richtung, doch da Car Crash Weather derartig brutal nicht grundsätzlich sind, fallen diese Spielereien umso mehr auf, da sie oft auf weiterer Flur stattfinden und somit einen Raum einnehmen, den sie im kompakteren Metal nicht hätten. Wenn schon Metal, dann findet hier eher Postmetal statt, der gebeugte, gedrungene, zerdehnte, der nicht in die Fresse geht, sondern in die Seele, und der ist hier ja nur ein Element unter vielen, also beileibe nicht die bestimmende Musikart.
Irgendwas mit Post geht heute ja immer, auf die Zusammensetzung und Anwendung kommt es nur an, und Car Crash Weather finden da ihre eigene Rezeptur. Die Musik versinkt nicht im Nebel, sondern tritt klar hervor, auch in den wenigen Passagen, in denen die Gitarre mal postrockig auf Atmosphäre fuzzt, proggig gniedelt oder verzerrt bratzt. Die Band hat nämlich auch noch Synthies im Gepäck, und aus denen zaubert sie gern ein Piano hervor, mit dem sich vortrefflich die hymnischen Passagen noch hymnischer gestalten lassen, das das Balladeske passabel unterstreicht. Als Orgel ist der Synthie ebenfalls einsetzbar, und kombiniert mit der Gitarre erzeugt er auch mal die große Geste, das Weltumspannende, den Appell, den die Band an die Menschheit richtet, doch endlich mal fair miteinander umzugehen. Dem Synthie sind indes auch cheesige Quäkgeräusche entlockbar, über die muss am im ersten Track einfach weghören, das wird schon.
Derlei Appelle vermitteln die Züricher nicht vermittels Gesangs, sondern mit Sprachsamples oder Spoken-Word-Passagen, die sie in ihre teilweise überlangen Tracks mischen und die das Thema vertiefen. Jenes legt die Band zudem minutiös auf ihrer Webseite dar, da gibt es zu jedem Track des Albums Erklärungen, Hintergründe, Intentionen, Meinungen nachzulesen. So ganz restlos verzweifelt ist die Band dabei aber offenbar nicht: Der letzte Track trägt den Titel „Hope“.
Richtig viel heraus bekommt man über die Band trotzdem nicht. Die Biografie sagt, dass sie zu Beginn der Zehnerjahre noch namenlos zusammenkam, um miteinander zu jammen und dabei um 2014 herum festzustellen, dass man sich auf Progrock am besten einigen konnte. Daraus resultierte 2016 die EP „Origins“, dem 2018 das Debüt „Secondary Coming“ folgte. Auf jenem sind noch fünf Musiker aufgezählt: Schlagzeuger Dzhevret Sali, den man noch mit der Band Borderline Symphony in Verbindung bringen kann, Gitarrist und Vokalist Marco Serraino, Bassist Michael Haas, Gitarrist Michael Volkart und Keyboarder und Vokalist Pius Sibler. Sucht man diese Namen im Internet, bekommt man Profile von irgendwelchen Topmanagern in der Gegend um Zürich – kann ja sein, dass Car Crash Weather eine Art Kontrapunkt zu ihren Aufgaben im Business darstellt, weil Business ja generell zu Lasten von Mensch und Erde geht, die Musiker mithin ihr eigenes Geldverdienen kritisch reflektieren. Kann aber auch sein, dass es zufällige Namensgleichheiten sind und die Jungs, auf dem aktuellen Promofoto sind es überdies nur noch vier, ohne Hinweis darauf, welche, einfach nur bislang unbeschriebene Blätter sind. Fürs Beschreiben sorgen sie indes als Car Crash Weather, das manifestiert sich nicht erst mit „Terra Nostra“.