Von Guido Dörheide (14.10.2023)
Seit nun schon sagen wir mal 1988 gibt es Cannibal Corpse, seit 1991 machen sie Alben, zunächst mit Chris Barnes als Sänger (jetzt SFU – Sachen für Unterwegs Six Feet Under), wir erinnern uns an wunderbar geschmackvolle und dezente Kleinodien wie „Hammer Smashed Face“, „I Cum Blood“ oder „Fucked With A Knife“ – nicht nur Tipper Gore (hihi, die muss mit DEM Nachnamen ausgerechnet rumpupen, wenn es um blutrünstige Lyrik und geschmackloses Album-Artwork geht), sondern auch Christa Jenal aus dem Saarland waren empört und in Deutschland konnte lange Jahre kein CC-Album mit dem Originalcover erscheinen – und seit nun auch schon 1995 ist der stiernackige Erzsympath George „Corpsegrinder“ Fisher Sänger bei Cannibal Corpse. Er klingt nicht weniger brachial als sein Vorgänger, aber irgendwie berechenbarer, bodenständiger und vor allem (OK, eventuell ist das der sich wandelnden Produktion der CC-Alben zu verdanken) auch hörbarer.
Neben Fisher drücken Drummer Paul Mazurkiewicz und Bassist Alex Webster, beides Gründungsmitglieder der Band, dem CC-Sound ihren Stempel auf. Gegründet in Buffalo, New York, sind CC seit Jahren in Tampa, Florida ansässig und bilden somit einen wichtigen Teil des Florida Death Metal. Wobei CC oft ebensoviel Thrash wie Death machen, aber allein schon Corpsegrinders Gesangsstil ist urtypisch für Death Metal. Die Texte sowieso. Kostprobe aus dem aktuellen Album gefällig?
„Gaping wounds of victims spraying blood into the air / Killing all that stands before them / Barbaric acts of the insane“ („Overlords Of Violence“).
„The first one cuts off a foot above the ankle / As the blood begins to spray / The second one hacks off a hand at the wrist / The third one does the same / The fourth one slices off the other foot / The fifth one his whole leg / The sixth one chops off one of his arms / Not much of him remains.“ („Summoned For sacrifice“).
Wenn also bei Slayer dereinst das Blut regnete – bei CC sprüht es. Und warum nicht? Darum geht es schließlich beim Death Metal. Auf die Idee, dass die Bandmitglieder ihre textlichen Extravaganzen tatsächlich in die Tat umsetzen würden (ähem, darum ging es eventuell höchstens früher mal im Black Metal), kommt hier niemand, „Chaos Horrific“ macht schlicht Laune und erzeugt – im starken Kontrast zu den in Blut gemalten Abscheulichkeiten der Texte – stets ein breites Grinsen auf den Gesichtern der Rezipient*innen.
Schon der Beginn des Albums ist wunderbar: Webster beginnt, auf dem Bass herumzudonnern – dann ein Hieb auf die tiefen Saiten der Gitarre – wieder Webster – wieder die Gitarre – dann übernimmt Corpsegrinder Fisher die Führung durch den Song. Aberwitzige Riffs und kreischende Soli wechseln sich ab, Langeweile sieht deutlich anders aus, und nach gut drei Minuten ist der Ritt auf der Kettensäge dann auch schon wieder zuende. Da fällt mir ein: Einige Rezensenten wiesen darauf hin, dass die Spielzeit des Album gewohnt kurz ausfiele, ich hingegen sage: „Wäh?“ Mit 39 Minuten ist die Spielzeit diejenige einer handelsüblichen LP, also ehrlich mal, Rezensenten in meinem Alter kennen sowas noch (wobei, wir sind ja schon froh, wenn heuer noch sowas wie ein „Album“ bekannt ist und nicht zur „Playlist“ degeneriert), also keineswegs „kurz“, sondern lediglich „zu kurz für eine Doppel-LP“. Und schon wieder kriege ich dass Grinsen nicht wieder aus meinem Gesicht heraus, weil, die Vorstellung einer CC-Doppel-LP ist wahrlich zu grandios.
Was der erste Track verspricht, halten alle weiteren: Ehrlich, niemand erwartet von Cannibal Corpse, wahlweise sich oder das Fahrrad an irgendeiner Stelle irgendeines Albums neu zu erfinden – wenn diese unglaubliche Band einfach das macht, was sie am besten kann, also technisch anspruchsvollen, schnellen, kompromisslosen, brutalen Death Metal, der sich zu jeder Sekunde anhört wie 100% CC, dann ist dieses „Business as usual“ weit weit mehr, als zahllose andere Bands in den apseluten Sternstunden ihres Schaffens abliefern.
Zuallerletzt sei noch Eric Rutan erwähnt – der mich mit seinen zweifelsohne großartigen Hate Eternal nie so richtig abholen konnte. Als mittlerweile vollwertiges CC-Mitglied zeichnet er inzwischen nicht nur für die wertige Produktion, sondern auch für zahlreiche unglaublich tolle Gitarrensoli verantwortlich und trägt dadurch zu Cannibal Corpses gutem Ruf als nicht nur durch abstoßende Texte, ebensolche Albencovers und brachiale musikalische Härte, sondern auch durch technische Brillianz und Liebe zum Detail geprägten Death-Metal-Act bei.
Und wenn ich hier noch eine Kaufempfehlung abgeben soll, sage ich „Na klar, gönnt Euch, Leute; geht auf Corpsegrinder seinen Nacken!“