Von Matthias Bosenick (14.12.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour – Der Stadtblog
Groovig voranpreschender Indierock mit Frauengesang und blechbläsernen Überraschungen: Callin Tommy spielen sich mit ihrem Hybridsound in eine eigene Nische. „Sweet Toxin“ ist das zweite Album der Braunschweiger Band, und wenn schon ihre Studiomusik so extrem nach Party klingt, muss es live mal so richtig brennen. Ansprechend wie der Sound ist auch das Bild: Man kann auf dem Cover eine Menge feiner Ideen entdecken. Und Play drücken und jetzt hüpfen!
Das Grundgerüst der Musik ist grob Indierock, gelegentlich in den Punk abdriftend. Ein stabiles, zackiges Fundament für den Überbau, und der macht den Unterschied: Zögerlich nur lassen sich im das Album eröffnenden Titeltrack die Bläser vernehmen, danach brechen die Dämme und alles, was in Richtung Ska geht, bekommt die lange Leine. Das gilt nicht nur für die Stakkatobläser, sondern auch für die angefunkte Offbeat-Gitarre, die sich mit dem Punkbrett abwechselt. Man fühlt sich maximal an die Snowboarder-Songs der späten Neunziger erinnert, ansonsten ist dieser Sound nicht (mehr) angesagt, steht also so sehr für sich allein, dass er auf seine Weise innovativ ist. Und Spaß macht er sowieso.
Ein ganz besonderer Kontrast zur Musik ist die Stimme: Einerseits erinnert sie an zeitgenössische R’n’B-Queens, andererseits hat sie so viel Eier, dass sie klassische Hello-Kitty-Fans eher verschreckt. Unfassbar, wie agil Inga ihre Texte in die Musik flicht. Ein Hintergrundchor aus Stimmen von Männern, die gerade in keine Instrumente pusten müssen, begleitet sie gelegentlich und unterstreicht damit die Virilität des Gesangs.
Zur Ruhe kommt die Band nur selten, und wenn, dann zum knappen Luftholen. Callin Tommy verzichten auf klischeehafte Balladen, ein Song wie „Heartbeat“ ist nur scheinbar soulig und birgt tatsächlich vielmehr äußerst variable Rhythmuswechsel. Die Band hat Power und einen fetten Sound; angenehmerweise funktioniert das auch auf CD, obwohl hier jeder Ton nach der Bühnenumsetzung schreit.
Zusätzlich bieten Callin Tommy mit „Sweet Toxin“ ein selbstironisches Cover. Auf dem Digipak zu sehen ist ein Althippierocker, der an einer Tankstelle irgendwo im Grünen steht. Die Details machen Spaß: Bandname und Albumtitel stehen auf dem Zapfsäulendisplay versteckt, der Rocker nascht Süßkram in Form des Bandlogos und trägt ein Einhorn-T-Shirt, die Benzinpreise sind noch in DM angegeben und auf der Preistafel stehen Songtitel, -längen und -nummern. So, jetzt aber genug mit dem Werk auseinandergesetzt. Repeat drücken und abhotten!