Von Matthias
Bosenick (28.10.2019)
Wenn man es besinnlich will, sollte
man nicht unbedingt dieses Triumvirat des Bösen ranlassen: Unflat
Till Burgwächter, Blutjunkie Hardy Crueger und Sarkast Karsten
Weyershausen beschreiben die „Braunschweig’sche Weihnacht“
mitnichten tourismusfördernd. Zwar finden sich Braunschweigkenner in
diesen auch für ortsfremde zugänglichen Kurzgeschichten, Glossen
und Cartoons zurecht, sehen sich dann aber nach anfänglicher
Empathie und Herzenswärme hinterrücks von Abscheu, Hohn, seelischer
Schwärze, Tod, Psychothriller und sonstigem Makabren überrumpelt.
Ein Riesenspaß für alle Schwarzhumorigen und eine unerwartete Wende
angesichts der verkaufsbegünstigenden Thematik. Als
Geschenkverpackungsband empfiehlt sich hier ein Strick.
Da haben sich aber auch drei gefunden. Auch wenn Burgwächter sein
Lästermaul nicht zubekommt, kann er nicht verhehlen, an welchen
Aspekten von Weihnachten sogar er so sein Vergnügen hat: Ja, der
Weihnachtsmarkt ist eine rappelvolle Kommerzbudenansammlung, und doch
schmeckt ihm das ein oder andere Erzeugnis dort. Zudem erzählt er,
wie er es auch unter seinem Klarnamen bei anderen Themen gern in
kompletten Kompendien vollführt, die recherchierte Historie des
Weihnachtsmarktes in Braunschweig nach und nimmt die als Aufhänger
für seine abwertenden Ansichten. Viele seiner Beiträge sind relativ
allgemein gehalten, über Adventskalender, Betriebsweihnachtsfeiern,
Internetkäufe, verhinderte Kneipenabende, Lebkuchen und so weiter,
jedoch versehen mit Lokalaspekten, also Nennung von Straßen,
Gatsroeinrichtungen, Orten aus Braunschweig, und garniert mit
Burgwächters eigener und meistens zustimmungswürdiger Art, die
Dinge scheiße zu finden, aber eben nicht komplett. Außerdem
erfindet er eine Geschichte über den Zusammenhang zwischen
Fahrraddiebstählen und Weihnachtsgeschenken und begibt sich damit
schriftstellerisch auf das Terrain seines Buchkollegen.
Denn
Crueger gibt auch hier vielmehr den Erzähler als den Kolumnisten,
genau wie in seinen historischen Romanen und Krimis. Er lässt seine
Protagonisten gern dem Tod ins Auge blicken, doch hat er ein großes
Herz für die Unterdrückten, Einsamen, Benachteiligten. In seinen
Geschichten hat Braunschweig selten eine narrative Relevanz, aber er
lässt wie Burgwächter die Kulissen in seine Geschichten einfließen,
bei denen ebenfalls die Jahreszeit wichtiger ist als der Ort, sie
mithin auch überregional funktionieren. Der Erzähler beginnt
zumeist einfühlsam und besonnen mit klassischen, ebenfalls häufig
kritisch beleuchteten Themen wie Schrottwichteln oder Familienfeiern,
und genau damit wirken seine dunklen Abgründe umso heftiger.
Überfall im Eigenheim, Suizidgedanken, islamistische
Terroranschläge, Drogenkriminalität, gesellschaftliche Verlierer,
Knastbiografien, Mordfantasien: Man wundert sich, dass es Crueger
trotzdem immer wieder gelingt, auch mit solchen monströsen
Geschichten letztlich immer wieder Wärme zu vermitteln. Damit ist er
vermutlich näher am authentischen Weihnachten als die glitzernden
Scheinwelten, über die sich in der anderen Hälfte der Beiträge
Cruegers Kollege Burgwächter so herrlich aufregt. Es fügt sich
also.
Als Krönung setzt sich auch Weyershausen mit dem
verordnet besinnlichen Thema auseinander und findet seine bitterböse
Sicht auf die Dinge. Auch er jongliert mit Blut und Drogen, streckt
seine Finger aber noch in Gegenden aus, die die beiden Schreiber
nicht absteckten, darunter Genderfragen, Modernisierung und Glaube an
sich. Sein an Bernd Pfarr geschulter Strich kontrastiert vortrefflich
die harmlose Erscheinung und den abgründigen Inhalt.
Wer
nun also unbesehen seinen Liebsten woanders ein Braunschweiger
Geschenk zukommen lassen will, sollte gewarnt sein: Dieses Buch ist
für Hartgesottene besser geeignet als für die Oma in Berchtesgaden.
Die liebe Christenheit hat sicherlich ihre liebe Not mit diesem dabei
gar nicht explizit unchristlichen Buch. Es ist für
Weihnachtsfanatiker also vielmehr eine Horizonterweiterung als eine
Wunscherfüllung. Für alle anderen ist es ein größeres Fest als
bisweilen das Fest der Liebe selbst. Der Weihnachtsmann mit der Kippe
im Mundwinkel auf dem Cover sei für alle ein deutlicher Hinweis.