Von Guido Dörheide (14.03.2024)
Soso, hm hm, 19 Jahre hat der gute Bruce Dickinson also zwischen dem „Mandrake Project“ und seinem letzten Soloalbum „Tyranny Of Souls“ verstreichen lassen, aber während all der Zeit war er natürlich nicht untätig, hat sich in der Luftfahrt betätigt, Alben mit Iron Maiden veröffentlicht und war mit Maiden auf Tour, so jüngst erst aus Anlass der 2021er Veröffentlichung „Senjutsu“. Und nun ist er mit einem neuen Soloalbum zurück, da sind wir mal gespannt, was uns das taugt.
Mit „Afterglow Of Ragnarok“ beginnt das Album sehr vielversprechend, ein tolles, leicht zurückgenommenes und düsteres Riff, der Gesangsmelodie kann man sich nur schwer entziehen, das ist ein toller Auftakt, der auch nicht nach Maiden klingt (bis auf die Stimme, aber schließlich würde auch ein Jimmy Somerville immer nach Communards und Bronski Beat klingen, selbst wenn er auf einmal Grindcore oder sagen wir mal Tanzmusik für Vorschulkinder oder von mir aus auch beides gleichzeitig machen würde). Warum klingt Dickinson nun nicht nach Maiden, obwohl er doch seit Jahrzehnten deren Stimme ist? Zum einen fehlt hier Adrian Smith, das heißt, fehlen tut er nicht wirklich, da Roy Z, der seit 1994 („Balls To Picasso“) bei Dickinsons Soloalben die Gitarre spielt und zusammen mit dem Sänger die Songs schreibt (außer auf „Skunkworks“ zwei Jahre später, aber anschließend war er wieder mit von der Partie und blieb es bis heute) einen wunderbaren Job macht, und zum anderen beschreitet Dickinson eben solo manchmal auch andere als die ausgetretenen Maiden-Pfade. Nichts gegen letztere, aber für deren Beschreiten sind ja Maiden selber zuständig, also ist es gut, wenn Dickinson auch mal was anderes macht. Hihi, zum Beispiel covert er Maidens „If Eternity Should Fail“ vom besagten „Senjutsu“-Album, hier allerdings unter dem Titel „Eternity Has Failed“, also mehr Fortsetzung als Coverversion, und verdammt, der Song ist in beiden Versionen sehr gut. Und auch ansonsten gibt es viele Momente, in denen das „Mandrake Project“ sich anhört wie eines der sehr guten Maiden-Alben seit Dickinsons und Smiths Wiedereinstieg im Jahr 2000.
Konzentrieren wir uns hier also auf die Momente, in denen das Album genau das eben nicht tut: Das Eröffnungsstück hatte ich schon erwähnt, mein Favorit auf dem Album ist allerdings „Resurrection Men“, das mit einem Bass beginnt, der mich entfernt an „One Of These Days“ von Pink Floyd erinnert, dann setzt ein lässig galoppierendes Schlagzeug ein sowie eine Gitarre wie aus einem Italo-Western. Dickinson presst seine Zeilen zunächst heraus, bleibt dabei aber immer bei Stimme und lässt dieser dann im Refrain freien Lauf und singt dabei wirklich alles in Grund und Boden. Das Versagen der Unendlichkeit scheint den Sänger wirklich umzutreiben, denn auch im Text zu „Resurrection Men“ weist Dickinson auf diesen Umstand nochmals hin. Dann auf einmal ertönt ein sehr an Black Sabbath erinnerndes Riff, auch Dickinsons Gesangsdarbietung geht in diese Richtung, im nächsten Teil wird es balladesk, um dann die Hörenden wieder mit lockerem Galopp und dieser herrlichen Italo-Westerngitarre nebst anschließendem Powergesangskehrvers abzuholen. Allein dafür lohnt sich schon die Anschaffung des hier besprochenen Tonträgers.
Ebenfalls erwähnenswert finde ich „Mistress Of Mercy“. Bass und Schlagzeug düster-dräuend am Anfang, ebenso düster klingende, aber schrammelig aufspielende Gitarre und dann eine Melodie, die ich ganz entfernt ähnlich schon mal bei „From Out Of Nowhere“ von Faith No More gehört zu haben meine. Das ist toll, das ist groß. Auch Palm Muting kommt hier zur Anwendung und dazu ein unspektakuläres und dadurch umso schöneres Solo, am Ende spielen alle Instrumente munter durcheinander und Dickinson lässt wieder die Luftangriffssirenenstimme ertönen, sowas kriegen Maiden nicht hin, sowas berechtigt so ein Soloalbum in seiner Existenz.
Da folgende „Face in the Mirror“ ist eine mit Lässigkeit gesungene und teils vom Klavier getragene Rockballade, auch für sowas wäre bei Maiden kein Platz, und es ist schön, sich das hier anhören zu müssen. „Shadow of the Gods“ ist sogar noch mehr klavierballadesk als das zuvor gehörte Stück, und Dickinson ist sich nicht zu blöd, hier mal mit der Stimme gefühlduselig herumzuknödeln, und selbst das macht er noch besser als so mancher hauptsächliche Knödelgesangsinterpret. Und anscheinend macht er es so gerne, dass er es auf dem abschließenden „Sonata (Immortal beloved) nochmal auf knapp zehn Minuten Spielzeit perfektioniert.
Alles in allem ist „The Mandrake Project“ ein in hohem Maße Laune machendes, zeitloses Stück Musik, das neben den Fans der progressiven Metalmusik auch die Befürworter:innen des gehobenen Hardrock ansprechen wird.