Von Guido Dörheide (09.04.2022)
Die japanischen Doom/Drone Doom/Noise-Psychedelic-Stoner-Sludge-Drone-Doom-Gött*innen Boris worshippen den Amplifier nun schon seit 1992: Benannt nach dem Eröffnungsstück des Melvins-Albums „Bullhead“ aus dem Jahr 1991 bereichern Wata (Gitarre, Gesang), Takeshi (Bass, Gitarre, Gesang) und Atsuo (Drums und – hm? Häh? – klar: Gesang) seitdem die Musiklandschaft – und das nicht zu knapp. Das 1996er Debütalbum „Absolutego“ enthielt exakt ein Stück (ich habe nachgezählt – zweimal!) von gut einer Stunde Länge. Dieses enthielt bereits all das, was Doom oder Drone Doom ausmacht: Repetition, Repetition, Repetition und eine gute Portion Distortion. In den folgenden Jahren haben Boris einen Knaller nach dem anderen auf dem Markt geworfen: 2003 „Akuma No Uta“ mit einer Kopie des ikonischen Cover-Artwork des Nick-Drake-Albums „Bryter Later“, nur dass Takeshi darauf keine Akustik-Gitarre, sondern seine nicht minder mehr ikonische Double-Neck präsentierte – oben Bass, unten Gitarre, in den nächsten Jahren Klassiker wie „Pink“ oder „Altar“ (gemeinsam mit Sun O))) ) – das einzige Album, das jemals mit „Earth 2“ von Earth verglichen wurde – und bis heute sind Boris nicht müde geworden, weiter, tiefer und eindrucksvoller in diese Kerbe zu hauen.
Mit „I Want To Go To The Side Where You Can Touch…“ leiten Boris das Album mehr als stimmungsvoll-dunkel ein. Für den Gesang auf „W“ sorgt ausschließlich die wundervolle Gitarristin Wata – und sie präsentiert ihre Lyrics in einer passiv/aggressiven Art und Weise, dass es der/dem Hörenden Angst und Bange wird. Einfach mal den Track „Icelina“ anspielen, und es offenbart sich, wovon ich hier schreibe – liebreizendes heiseres Hecheln trifft es am ehesten, wie Wata da singt. Auf „Drowing By Numbers“ geht es dann fast hektisch zur Sache – Atsuo hämmert sich einen hin, dass dem verstorbenen Jaki Liebezeit die Tränen in die Augen schießen dürften – Wata singt, haucht, presst und flüstert dazu – und es passt. Und der Bass sorgt dafür, dass man nicht nur schwelgerisch in der Musik versinkt, sondern auch ernsthaftes Bauch-Aua bekommt.
„Invitation“ sorgt dann für ein Moment der Abkühlung, und dann kommt „The Fallen“ mit einem Riff um die Ecke – halb Sabbath, halb Black Metal. Super langsam, super dark, super trve. Und im Hintergrund quietscht es. Hammer. Das Stück bleibt rein instrumental und ab der Hälfte worshippen Gitarre/Bass und Schlagzeug den Amplifier um die Wette, bis am Ende nur noch ein maximalverzerrtes Abbrechen des Songs übrigbleibt – nichts anderes wäre da aber auch gegangen. Danach singt Wata auf „Beyond Good And Evil“, als wäre zuvor nichts passiert – der Gesang ängstigt trotzdem und bei 01:50 donnert ein Pandemonium los, dass man denkt, „war klar, dass da noch was kommt“. Und Wata versucht erst gar nicht, den Lärm zu übersingen, sondern singt einfach nebenher und die/der Hörende denkt: „Toll!!!“
Mit „Old Projector“ folgt ein Zwischenspiel – keinesfalls überflüssig – und dann folgt „You Will Know“ – mit über 9 Minuten eines der Herzstücke von „W“ – und was für 1 Brett! Langsam, aber überhaupt nicht leise, düster und bedrohlich gehen alle Instrumente zu Werk, dazu dröhnt noch eine Orgel und auch Wata hält sich hier wieder nicht zurück. Und das, ohne zu schreien, wonach dieses Stück eigentlich die ganze Zeit geschrien hat. Am Ende quietscht es wie Sau und es mischt sich ein toller Bass unter das Ganze. Mit „Jozan“ folgt dann ein ruhiger, instrumentaler Ausklang auf alles, was vorher auf die/den Hörenden eingeprasselt ist, und es bleibt nichts anderes, als immer und immer wieder auf die Repeat-Taste zu hauen.