Von Guido Dörheide (12.10.2023)
„The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown“. Sagt H.P. Lovecraft, und der weiß bekanntlich, wovon er spricht. Die französische Post-Black-Metal-Band Blut aus Nord tut, was sie kann, um Lovecrafts Worten Gewicht zu verleihen. Und diese Band kann viel. Zuvorderallererst mal schöne Albencover gestalten. „Das sieht aus wie die Horrorfilme, die ich immer ansehe“, sagte die Liebste gerade noch per Sprachnachricht, und Recht hat sie. Bereits mit dem Coverartwork sorgen Blut aus Nord für eine ganz bestimmte Stimmung, und dem setzen sie durch die Musik noch eine Krone auf (oder machen einen Knopf dran, wie mein Chef immer sagt). Ich will mich deshalb auch gar nicht groß über die lovecraftschen Themen, die Blut aus Nord immer wieder thematisieren, auslassen – denn davon verstehe ich zu wenig – sondern lieber von den düsteren Stimmungen schwärmen, die diese Band heraufzubeschwören in der Lage ist.
Es handelt sich hier um Post Black Metal, und das ist vielleicht der beste Back Metal, den es gibt. Die Musik von Blut aus Nord ist langsam, unharmonisch, auf und ab mäandernd, düster und dabei auch wunderschön. Gesang scheint nicht vorzukommen – doch, man muss nur mal genauer hinhören, da sind andauernd Stimmen zu hören, die klagende Laute von sich geben, und dazu Schichten um Schichten von Gitarren, Schlagzeug, mal schneller, mal langsamer, immer ein bedrückendes Pandämonium verströmend, die einen vielschichtigen Turm aus Klang auftürmen, der niemals zu einem verwurschtelten Brei aus Klängen wird. Als kleiner Junge habe ich „Das Gespensterschloss“ von den Drei Fragezeichen gelesen, mich dabei total gegruselt und gelernt, dass dieser Grusel durch eine Vielzahl von Sinneseindrücken wie zum Beispiel kalte Luft und spezielle Musik hervorgerufen wird. Genau so einen Eindruck schaffen Blut aus Nord mit ihren Alben bei den Hörenden hervorzurufen, und genau dafür feiere ich die Band, ohne ganz genau wissen zu wollen, wie das eigentlich funktioniert.
Witzigerweise sind die Songs auf „Disharmonium – Nahab“ nicht 10 oder mehr Minuten lang – mit einer Gesamtspielzeit von knapp 44 Minuten bei 11 Songs ist der Durchschnitt eher kurz als lang –, aber dennoch erzeugen sie das Gefühl, es hier mit durch die Bank überlangen Songs zu tun zu haben, die gerne noch länger sein dürften. Beispiel „The Crowning Horror“, Track 5: Kurze 3:34 Minuten lang, baut sich das Stück erstmal krachend und donnernd auf und beim Hören denkt man „Aha okay, Intro, wir werden also nach vielleicht mal 5 Minuten sowas wie Gesang oder eine Songstruktur hören.“ Ja ja Deine Mudda: Strukturierter als das, was wir von Anfang an hören, wird es nicht mehr, und der Gesang setzt bereits nach 50 Sekunden ein. Nur ist er nicht als solcher, sondern vielmehr als weiteres, seltsames Instrument wahrzunehmen.
Und so geht es weiter und weiter auf dem Album, die ganzen disharmonischen Klangwände und der kaum identifizierbare Gesang erzeugen eine solche Schönheit und gleichermaßen Härte (auch dazu kann „The Crowning Horror“ gerne als Referenztrack herangezogen werden), die nie verstören, sondern tatsächlich eine Angst heraufbeschwören, die zu genießen eine ganz sonderbare Art von Freude bereitet.